Mit Olaf Scholz wird es düster

Brandenburgs SPD macht Vizekanzler zum Spitzenkandidaten für den Bundestag

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Plötzlich fällt in der Potsdamer Schinkelhalle das Licht aus, und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) steht im Dunkeln. Eine Frau lacht kurz auf, aber Scholz spricht unbeirrt weiter. Als es nach etwa 15 Sekunden wieder hell wird, redet der Politiker gerade über die Energieversorgung und die 40 Milliarden Euro, die der Staat in den Strukturwandel in den Braunkohlerevieren investiere.

Brandenburgs SPD nominiert Scholz am Sonntag zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl am 26. September. Er erhält 92 Stimmen, zwei Gegenstimmen und vier Enthaltungen. Nur wenige der 99 Delegierten sind vor Ort. Die meisten sind online zugeschaltet und stimmen per Mausklick ab. Die gesamte Landesliste muss jetzt noch nachträglich per Briefwahl bestätigt werden.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Anders als Scholz verzichten die anderen Kandidaten darauf, sich vorzustellen. So kürzen sie das Verfahren ab, wie es von ihnen erwartet wird. Die Bewerbungen liegen den Delegierten schriftlich vor, diese wählen brav abwechselnd die Männer und Frauen, die ihnen der Landesvorstand für den jeweiligen Listenplatz vorschlägt. Es gibt keine einzige Kampfabstimmung. Auf diese Weise erledigt die märkische SPD die Formalien innerhalb von Minuten.

Die ganze Veranstaltung ist eine Olaf-Scholz-Show. Die anderen Kandidaten sind bloße Randfiguren und erscheinen abgesehen von der Bundestagsabgeordneten Sylvia Lehmann, die sich einmal kurz zu Wort meldet, gar nicht erst im Bild. Die 35-jährige Wissenschaftsmanagerin Maja Wallstein und der 50-jährige Stefan Zierke - er ist Staatssekretär im Bundesfamilienministerium - erhalten die Listenplätze zwei und drei. Damit ist über die beiden hier schon mehr geschrieben, als bei der Versammlung über sie gesagt wird.

Es sei eine »große Ehre für Brandenburg«, dass Olaf Scholz sich entschieden habe, in Potsdam zu leben und zur Bundestagswahl anzutreten, sagt der SPD-Landesvorsitzende und Ministerpräsident Dietmar Woidke. Nun ja, Scholz zog praktisch seiner Frau Britta Ernst nach, die seit 2017 als Bildungsministerin in Potsdam arbeitet. Ziel des Wahlkampfes sei, so Woidke, »ein Bundeskanzler Olaf Scholz«. In den Umfragen pendelt die SPD derzeit bundesweit zwischen 12 und 16 Prozent und liegt damit weit hinter CDU und Grünen.

Woidke erinnert angesichts dessen voller Zweckoptimismus an die Landtagswahl 2019. Im Sommer jenes Jahres war Brandenburgs SPD von Meinungsforschern und Journalisten bereits abgeschrieben. Man traute ihr den Sieg nicht mehr zu. Die SPD konnte das Ruder in den letzten zwei, drei Wochen vor dem Urnengang aber noch herumreißen. Eingedenk dieser Tatsache erklärt Woidke nun: »Diese Bundestagswahl wird sehr spannend, und nichts ist entschieden.« Und Olaf Scholz sagt: »Es ist Bewegung gekommen in die Umfragen, und diese Bewegung ist gut für uns.« Die CDU liege nicht mehr uneinholbar vorn, meint Scholz. Nach den jüngsten Prognosen von Forschungsgruppe Wahlen und Infratest dimap würde die SPD aber immer noch nur etwa halb so viele Stimmen erhalten wie die Union. Diese muss sich da derzeit wenig Sorgen machen und viel eher fürchten, von den Grünen überholt zu werden.

Christian Görke, Linke-Spitzenkandidat in Brandenburg, hört sich die Rede von Scholz am Sonntag an und nennt sie eine »sozialdemokratische Seifenoper«. Görke kreidet Scholz an, dieser habe groß über den Kohleausstieg schwadroniert, aber als Bundesfinanzminister dem Lausitzer Revier durch Haushaltstrickserei EU-Gelder vorenthalten.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.