Tariflohn im Krankenhaus zahlt sich aus

Kliniken mit anständigen Löhnen finden in Brandenburg leichter Pflegepersonal

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Pilot im Cockpit und eine Krankenschwester auf einer Intensivstation müssen viele Instrumente im Auge behalten. Machen sie schwere Fehler, sterben Menschen. Insofern ist ihre Arbeit vergleichbar. »Wer glaubt, dass ein Pilot zwei Flugzeuge gleichzeitig fliegen kann? Ich kenne keinen. Aber wir sollen das schaffen«, sagt Krankenschwester Ines Krüger, die seit 1992 auf einer Intensivstation im Cottbuser Carl-Thiem-Klinikum arbeitet. Die Berliner Vivantes-Kliniken werben hier mit Großplakaten Personal ab, locken dabei mit Bezahlung nach Tarif. Warum Ines Krüger keinen Tariflohn bekommt? Ihr werde erzählt, den brauche sie ja nicht, sagt sie. Die Mieten seien doch in Cottbus niedriger als in Berlin. Trotzdem entschließen sich Kollegen zum Wechsel in die Hauptstadt. Das Thiem-Klinikum hat nun 20 junge Vietnamesen zur Ausbildung nach Deutschland geholt, um für die Zukunft genug Personal zu haben. Dabei käme auch in Betracht, endlich Tarif zu zahlen.

Derzeit steht die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Tarifverhandlungen für 6500 Beschäftigte von neun märkischen Krankenhäusern, darunter 2000 Mitarbeiter des Thiem-Klinikums und 1400 der psychiatrischen Kliniken in Lübben, Teupitz und Brandenburg/Havel.

In Lübben ist Krankenpfleger Heiko Piekorz seit 28 Jahren tätig - und seit 14 Jahren ist er Betriebsrat. Den schädlichen ökonomischen Druck im Gesundheitswesen spürt er zunehmend. 2006 privatisierte Brandenburg die psychiatrischen Fachkliniken. »Als wir an den Asklepios-Konzern verkauft wurden, hieß es: Private können das besser«, erinnert sich Piekorz. »Es wird euch keinesfalls schlechter gehen, wahrscheinlich sogar besser«, sei die Belegschaft getröstet worden.

Heute müsse er sagen, da sei er belogen worden, stellt Piekorz fest. Das Personal sei so stark reduziert worden, dass sich in einer Suchtstation mit 24 Betten nur je eine Fachkraft in der Früh-, der Spät- und der Nachtschicht um die Patienten kümmern solle. Wer sich über solche Zustände beschwere, dem werde gesagt, er könne ja kündigen. Derweil betrage der Lohnabstand zur ebenfalls von Asklepios betriebenen Psychiatrie in Hamburg 300 Euro monatlich.

Von den 53 Krankenhäusern in Brandenburg zahlen nur drei kommunale Häuser Tarif: das Städtische Klinikum Brandenburg, das Ernst-von-Bergmann-Klinikum Potsdam und die Klinikum Westbrandenburg GmbH. In 13 kommunalen Kliniken gelte immerhin ein Haustarif, in zwei katholischen und elf evangelischen Kliniken herrschen tarifähnliche Verhältnisse, erläutert Gewerkschaftssekretär Ralf Franke. Doch in sieben kommunalen Kliniken gibt es nicht einmal Haustarifverträge, darunter in den Krankenhäusern in Strausberg, Seelow und Wriezen. Das liege auch daran, dass dort einfach zu wenige Mitarbeiter gewerkschaftlich organisiert seien, bedauert Verdi.

Dabei lohnt es sich auch für die Krankenhäuser, Tariflohn zu zahlen. Seit das Potsdamer Ernst-von-Bergmann-Klinikum im Sommer 2020 nach 15 Jahren zur Bezahlung nach Tarif zurückkehrte, fällt es leichter, Personal zu finden. »Wir haben schon ein paar Leute gewinnen können durch die gute Bezahlung«, berichtet Janina Michalke, die dort Mitte der 80er Jahre den Beruf der Krankenschwester erlernte und dem Haus treu blieb.

Leider zahlen noch nicht alle Tochtergesellschaften Tarif und leider läuft die Anerkennung der Berufsjahre nicht optimal. So erhalte eine Krankenschwester mit 25 Jahren Berufserfahrung am Bergmann-Klinikum doch noch 300 Euro weniger im Monat als eine am Städtischen Klinikum in Brandenburg/Havel, rechnet Verdi vor. Dass aber nun überhaupt Tarif gezahlt wird, sei ein großer Fortschritt, erreicht durch Proteste und ein Bürgerbegehren. In der Altenpflege läuft es so ähnlich wie in der Krankenpflege. Nicole Schablack leitet die Tagespflege »Pommernwiese« der Volkssolidarität in Gartz/Oder. Da die Volkssolidarität hier Tarif zahlt, gibt es Bewerbungen, obwohl die Arbeit beim Pflegedienst nicht zuletzt wegen der weiten Anfahrtswege in der Uckermark sehr anstrengend ist.

Anders sieht es in einem Pflegeheim einer gemeinnützigen Gesellschaft in Bernau aus. Betriebsrat Martin Janke beklagt die dünne Personaldecke, sogar Hilfskräfte gehen weg, nach Berlin oder ins Krankenhaus, weil dort besser bezahlt wird. Gewerkschaftssekretär Franke sagt, man müsse jetzt schnell Wege finden, um die Fachkräfte zu halten und den Pflegenotstand zu stoppen. »Auch dafür wollen wir die anstehenden und laufenden Tarifverhandlungen nutzen«, erklärt Franke.

»Der Wettbewerb um Fachkräfte zwischen Standorten und Bundesländern kann nur gestoppt werden, wenn für alle Krankenhäuser ein einheitlicher Tarif gilt - der des öffentlichen Dienstes«, meint die Linke-Landesvorsitzende Anja Mayer. »Die Bundesregierung muss die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, damit die Kosten ordentlicher Tarifverträge nicht länger Verhandlungsmasse mit den Kostenträgern bleiben. Aber auch die Landesregierung kann ihren Teil beitragen, indem sie die Krankenhausfinanzierung so aufstockt, dass notwendige Investitionsmittel nicht länger auf dem Rücken der Beschäftigten erwirtschaftet werden müssen!«

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