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  • Herausforderungen zukünftiger Politik

Zeit der Hoffnung

Die Förderung sozialen Zusammenhalts durch Wohlfahrtstaatlichkeit muss auch ohne äußeren Feind funktionieren, hofft Georg Füllberth

  • Georg Fülberth
  • Lesedauer: 3 Min.

Es scheint derzeit gut auszusehen für Leute, die auf eine sozial gerechtere und umweltfreundliche Zukunft hoffen. Der Neoliberalismus ist mittlerweile diskreditiert, nicht nur in linksliberalen Feuilletons und bei den Menschen, die unter ihm leiden, sondern auch in Teilen der Regierungen. Dass die Bekämpfung einer Pandemie und ihrer Folgen nicht den Märkten überlassen bleiben kann und stattdessen staatliches Handeln erforderlich ist, zeigt sich seit über einem Jahr. Ebenso klar ist, dass die Kosten von den öffentlichen Händen getragen werden müssen.

Die Schwarze Null ist Makulatur. Offiziell gilt das nur für die aktuelle Notlage. Anschließend müssten die Schulden wieder zurückgezahlt und werde danach erneut stramm gespart werden, so heißt es. Aber seit 2012 der damalige EZB-Präsident Mario Draghi verkündete, er werde mit Niedrigzinspolitik und unbegrenzter Anleihepolitik den Euro retten, hat es den Anschein, als könne der Zahltag immer weiter hinausgeschoben werden. Auch ist mittlerweile klar, dass eine offensive staatliche Ausgabenpolitik nicht auf den aktuellen Notfall beschränkt bleiben kann. Wer durch kahle Fichtenwälder geht oder fährt, merkt, dass eine Wende in der Klimapolitik nicht nur Reparatur sein kann, sondern auch nachhaltig sein muss. Das heißt: ständige Aufwendungen für Recycling, Schutz von Wasser, Boden, Luft. Die Mittel, die hierfür nötig sind, müssen kontinuierlich bereitgestellt werden. Durch Schuldenaufnahme allein ist dies nicht zu bewerkstelligen, sondern durch Besteuerung von superhohen Einkommen und Riesenvermögen – Umverteilung von oben nach unten.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Bis vor ganz kurzem klang das utopisch. Nun aber hat die US-amerikanische Finanzministerin Janet Yellen tatsächlich einen solchen Kurswechsel in Aussicht gestellt und damit ein weltweites positives Echo erzeugt. Auch der Präsident Joe Biden propagiert diesen Kurs. Der deutsche Finanzminister Scholz scheint ebenfalls nicht abgeneigt. Doch seine Partei bleibt, folgt man den Umfragen, schwach. Er wird nach dem 26. September wohl entweder in die Opposition müssen oder Vizekanzler werden.

Mehr Hoffnung können sich die Grünen machen. Sie werben damit, dass die Klimawende bei ihnen am besten aufgehoben sei. Ihnen wird vorgehalten, allmählich müssten sie sagen, wie sie die Kosten für die durchaus sinnvollen sozial- und infrastrukturpolitischen Vorschläge ihres Programms aufbringen wollen. Sie haben keine Schwierigkeiten, im Wahlkampf eine Besteuerung der Reichen zugunsten ihrer Ziele in Aussicht zu stellen. In den Umfragen liegen sie vorn, ihrer Kandidatin Annalena Baerbock wird das Kanzler(innen)amt zugetraut.

Historisch Bewanderte sehen eine Wiederauflage des New Deal kommen, den Franklin Delano Roosevelt 1933 einleitete. Wer noch weiter zurückblickt, erinnert sich, dass schon vorher in der Geschichte von heute auf morgen gewaltige Geldmengen mobilisiert wurden: als es darum ging, einen großen – damals allerdings unheilvollen – Zweck zu erreichen. Gemeint sind die nationalen Kraftanstrengungen für die Kriegsfinanzierung 1914-1918 in allen beteiligten Ländern.

Roosevelts Politik zur Belebung der Konjunktur und Beseitigung der Arbeitslosigkeit war zunächst nur wenig erfolgreich. Erst mit Eintritt in den Zweiten Weltkrieg trat Vollbeschäftigung ein. Gewiss: Ab 1945 begann dann eine Periode der Wohlfahrt durch Fortsetzung derselben neuen Wirtschafts-und Sozialpolitik, die zunächst gar nicht so recht gegriffen hatte. Die Systemauseinandersetzung im Kalten Krieg legte Förderung des sozialen Zusammenhalts durch Wohlfahrtstaatlichkeit nahe. Ohne äußeren Feind ging das offenbar nicht.

Leider ergibt sich auch hier eine Parallele zur Gegenwart. Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock lässt keine Gelegenheit vorübergehen, um eine neue Blockkonfrontation zu propagieren: gegen China und Russland. Sie stellt sich in die vorderste Linie des zweiten Kalten Krieges. Ihr Kollege Robert Habeck macht das Bekenntnis zur NATO zum Kriterium für Regierungsfähigkeit. SPD, Union und FDP werden damit keine Schwierigkeiten haben. Eine linke Partei, die ihre Friedenspolitik nicht verleugnet, hätte Diskussionsbedarf.

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