Tegel wird nach Blindgängern abgesucht
Das Gelände des einstigen Flughafens wurde bis 1945 militärisch genutzt - höchste Zeit aufzuräumen
Seit vor anderthalb Wochen die Betriebsgenehmigung für den Fughafen in Berlin-Tegel erloschen ist, wird dort die Übergabe an die landeseigene Tegel Projekt GmbH vorbereitet. In der vergangenen Woche begann das Unternehmen eigenen Angaben zufolge mit der Kampfmittelbeseitigung auf drei wichtigen Teilbereichen des stillgelegten Airports.
Die ersten Arbeiten sollen abgeschlossen sein, wenn der Projektentwickler das Gelände Anfang August übernimmt. So soll gewährleistet werden, dass die Baustellenzufahrten für die ersten Bauabschnitte der künftigen »Urban Tech Republic« um den Terminalkomplex sowie des benachbarten Schumacher Quartiers realisiert werden können.
»Das Areal befindet sich in einem Zustand, in dem der reguläre Flugbetrieb in der Vergangenheit gefahrlos möglich war«, teilte Tegel-Projekt-Geschäftsführer Philipp Bouteiller mit. »Dennoch sind von der knapp 500 Hektar großen Projektfläche mehr als 400 Hektar noch nicht nach Stand der Technik kampfmittelberäumt.«
Da das gesamte Flughafengelände als Kampfmittelbelastungsgebiet gilt, sind alle Bodeneingriffe ohne kampfmitteltechnische Begleitung gesetzlich verboten. Bis August soll zunächst der Bereich der künftigen Baustellenzufahrt am Kurt-Schumacher-Damm nach Munition und Blindgängern absucht werden. Ab August bis voraussichtlich Oktober 2022 folge der Bereich des ersten Bauabschnitts im Schumacher Quartier und ab Herbst auch - von der General-Ganeval-Brücke aus kommend - der der Südzufahrt. Diese Arbeiten sollen bis Ende 2022 abgeschlossen werden. Die weitere Beräumung folge sukzessive vor Baubeginn.
Der Boden werde mit Metalldetektoren systematisch abgesucht, dann schichtweise abgetragen und in einer Separierungsanlage untersucht. Aufgespürte Kampfmittel werden zum Sprengplatz Grunewald gebracht oder, wenn nicht transportfähig, vor Ort entschärft oder gesprengt. Kontaminierter Boden werde ordnungsgemäß entsorgt, heißt es.
Ab etwa 1780 war die Jungfernheide zwischen Plötzensee und Tegeler See, und damit auch das Gelände des späteren Flughafens Tegel, Artillerie-Schieß- und Übungsplatz des preußischen Heeres. Ab 1930 fanden am Standort Raketenversuche statt. Im Zweiten Weltkrieg waren dort Geschützbatterien stationiert, die unter anderem bei der Abwehr von rund 80 alliierten Luftangriffen auf kriegswichtige Industrieanlagen um Tegel eingesetzt und auch selbst Ziel waren. Zudem fanden im April und Mai 1945 in diesem Raum Kampfhandlungen am Boden statt. Nach Kriegsende wurden Bombentrichter, Erdlöcher oder Splittergräben mit kampfmittelbelastetem Bauschutt sowie liegengebliebener Munition verfüllt.
Als während der Berlin-Blockade 1948 die französischen Besatzer binnen drei Monaten dort einen Militärflugplatz für die alliierte Luftbrücke bauten, fand vor Inbetriebnahme keine Munitionssuche statt. Nach punktuellen Räumungen zwischen 1968 und 1981 wird seit 2005 systematisch gesucht.
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