CDU hält Mobilitätsgesetz für überflüssig

Angriffe prägen Debatten um noch fehlende Kapitel des rot-rot-grünen Vorhabens im Berliner Verkehrsausschuss

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Von »Orwell’schen Begriffen« spricht der AfD-Verkehrspolitiker Harald Laatsch am Montag bei einer Sondersitzung des Verkehrsausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses. Thema sind die noch fehlenden Kapitel des Mobilitätsgesetzes zum Wirtschaftsverkehr sowie zur Neuen Mobilität, außerdem wurden in dem von Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) vorgelegten Entwurf auch Änderungen in den bereits verabschiedeten Teilen des Werks, das die Verkehrswende voranbringen soll, eingearbeitet.

Für Laatsch ist es ein »Demobilisierungsgesetz«, denn: »Wenn ein Mensch länger Parkraum sucht, ist er länger unterwegs.« Es sei, wie der Mietendeckel, ein Gesetz für Reiche, befindet er.

Nicht viel weniger zimperlich gehen die anderen Oppositionsparteien mit dem Vorhaben um. »Mir ist immer noch nicht erklärlich, warum wir in Berlin ein Mobilitätsgesetz benötigen«, erklärt etwa Oliver Friederici von der CDU. Denn er sehe in den anderen 15 Bundesländern auch ohne so ein Gesetz »eine an Ökologie ausgerichtete Verkehrspolitik«. Er hält es auch nicht für »ratsam, Verkehrsflächen zu verkleinern«.

Und der FDP-Abgeordnete Stefan Förster wird sogar persönlich, wenn er davon spricht, dass »Leute von Changing Cities, die aus einem 30 000-Einwohner-Städtchen im Schwarzwald kommen, ihre Vorstellungen von einem Kreisverkehr hier umsetzen wollen«. Der Verein ist aus dem Fahrrad-Volksbegehren hervorgegangen.

Wirtschaft recht zufrieden mit Entwurf

Dabei haben die Betroffenen aus der Wirtschaft eigentlich recht zufrieden auf den Entwurf für ihr Kapitel reagiert. »Dass der Wirtschaftsverkehr jetzt seinen Abschnitt im Berliner Mobilitätsgesetz erhält, ist notwendig und überfällig. Ich bin froh, dass dabei viele unserer Forderungen aufgenommen wurden«, erklärte Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) bereits am Sonntag vor der Debatte.

Mehr Liefer- und Ladeverkehrsflächen soll es in der Hauptstadt geben, bestehende Verkehrsflächen, insbesondere bei Schiene und Wasserstraße sollen gesichert werden. »Wir wollen die Stadtverträglichkeit erhöhen durch ein flächendeckendes Netz von Umschlagplätzen, um eine effiziente und stadtverträgliche Abwicklung von Lieferungen an Haushalte und gewerbliche Kunden zu ermöglichen«, erläutert Verkehrssenatorin Günther in der Ausschuss-Anhörung einen weiteren Punkt. Abgewickelt werden soll der Wirtschaftsverkehr künftig »verstärkt zu Nebenverkehrszeiten«.

Kritik wird hauptsächlich an der geplanten verstärkten »Teileinziehung von Straßenland« laut. Also beispielsweise der Umwidmung von Parkplätzen in Rad- oder Busspuren. Die Abwägung der Prioritäten solle nicht vorab erfolgen, sondern im konkreten Einzelfall, um Anliefermöglichkeiten für den Wirtschaftsverkehr nicht unnötig zu verkomplizieren, wie Lutz Kaden von der IHK anmerkt.

Ohne Zwang keine Verkehrswende

»Die Formel: Wir bauen uns erst die perfekte Stadt, bauen den ÖPNV so aus, dass die Leute dann umsteigen, wird so nicht funktionieren«, entgegnet Grünen-Verkehrsexperte Harald Moritz auf den Vorwurf der CDU, dass der schleppende Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs für einen Mangel an Alternativen zum Autoverkehr sorge. Auch SPD und Linke kritisieren, dass neue Tramstrecken erst mit jahrelanger Verspätung realisiert werden. Es brauche auch sogenannte Push-Maßnahmen, sagt Moritz, also Einschränkungen für den motorisierten Individualverkehr, um ihn zu reduzieren.

SPD und Linke gegen Citymaut

»Einen Preismechanismus lehnt die SPD Fraktion ab. Das bedeutet Citymaut und das werden wir nicht machen«, sagt Tino Schopf für seine Fraktion. »Auch die Linksfraktion lehnt eine Citymaut ab«, erklärt deren Verkehrspolitiker Kristian Ronneburg. »Es geht der Koalition sehr wohl darum, zu einem besseren Miteinander zu kommen. Aber aus einer Position der Schwächsten«, entgegnet er den Vorwürfen aus der Opposition.

Denis Petri, Vorstandmitglied von Changing Cities, fordert die Einrichtung von zwei sogenannten Kiezblocks pro Jahr und Bezirk. Dabei soll der Durchgangsverkehr in Wohngebieten unterbunden werden. Jährlich 60 000 Parkplätze im öffentlichen Straßenland sollen verschwinden.

»Wir leben in einer ganz starken Zeitenwende«, sagt Verkehrssoziologe Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin. Bis 2030 müssen die CO2-Emissionen um die Hälfte reduziert werden. »Der Straßenverkehr macht davon ein Drittel aus«, so Knie.

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