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Finanzministerin hat lieber Geld, als es auszugeben
Der Landtag befasst sich mit dem Nachtragshaushalt, der den Etat auf die Rekordsumme von 16 Milliarden Euro aufstocken soll
Als der Landtag im Dezember den Haushalt für das Jahr 2021 beschloss, habe man nicht wissen können, wie lange die Pandemie noch anhält und wie schwer sie verläuft, entschuldigt Brandenburgs Finanzministerin Katrin Lange (SPD), dass sie bereits jetzt mit einem Nachtragshaushalt kommt.
235 Millionen Euro waren für coronabedingte Sondermaßnahmen eingeplant. Davon sind 194 Millionen schon ausgegeben oder verplant und weitere Anträge liegen vor. Die verbleibenden 41 Millionen Euro werden für den Rest des Jahres absehbar nicht ausreichen, erklärt Lange am Donnerstag im Landtag. Das Parlament befasst sich in erster Lesung mit dem Entwurf des Nachtragshaushalts und überweist ihn schließlich einstimmig in den Haushalts- und Finanzausschuss. Abgelehnt wird ein Antrag der oppositionellen Linksfraktion zur gerechten Verteilung der Kosten der Pandemie. Die rot-schwarz-grüne Landesregierung möge sich beim Bund dafür einsetzen, dass von den Reichen eine einmalige Vermögensabgabe erhoben und die Vermögensteuer wieder eingeführt wird, verlangte die Linke.
Das mit der Steuer stehe in ihren Bundestagswahlprogrammen, betonen SPD und Grüne. Die Idee einer einmaligen Vermögensabgabe nennt der Abgeordnete Thomas von Gizycki (Grüne) »attraktiv«. Er möchte am liebsten noch weiter gehen und auch über die Erbschaftssteuer und die Grundsteuer nachdenken, um dem Auseinanderklaffen von Arm und Reich zu begegnen. Trotzdem stimmen SPD und Grüne geschlossen gegen den Antrag der Linksfraktion. Denn sie fügen sich ihrem Koalitionspartner CDU, der gegen die Vermögensteuer ist.
Nachdem Frankreich die Vermögensteuer wieder eingeführt habe, seien Unternehmen nach Belgien, Luxemburg und in die Schweiz abgewandert, argumentiert CDU-Fraktionschef Jan Redmann. In dieses Horn stößt auch die AfD. Redmann will beispielsweise den Gründern der Pharmafirma Biontech ihren Erfolg gönnen und ihre Gewinne nicht höher besteuern, ungeachtet der 375 Millionen Euro Fördermittel, die sie für die Entwicklung ihres Corona-Impfstoffs erhalten haben.
Brandenburg bemüht sich also nicht um höhere Einnahmen, obwohl es das Jahr 2020 mit einem Rekorddefizit von 1,7 Milliarden Euro abgeschlossen hat und sein Schuldenberg damit auf 20,4 Milliarden Euro gewachsen ist. Stattdessen will das Bundesland seine Neuverschuldung erhöhen. Mit dem Nachtragshaushalt soll der Jahresetat von 15,5 Milliarden Euro - auch das ist schon ein Rekordwert - auf 16 Milliarden Euro angehoben werden. Der Landtag würde, wenn er die Wünsche von Ministerin Lange erfüllt, Kredite in Höhe von 3,2 Milliarden Euro genehmigen. Ohne den Nachtragshaushalt sind es 2,7 Milliarden Euro. »Es wird ein teures Jahr werden. Das steht schon einmal fest«, sagt die Ministerin. Geldbedarf bestehe auch angesichts der Bundestagswahl am 26. September. »Man muss sich da nicht dümmer stellen, als man ist.«
Diese ehrliche Auskunft bestätigt Linksfraktionschef Sebastian Walter in seinem Verdacht, die Koalition wolle das Geld nur dazu benutzen, etwas auf ihrer Wunschliste abhaken zu können. Denn für welche Coronahilfen die 500 Millionen Euro zusätzlich verwendet werden sollen, habe die Finanzministerin nicht restlos erklären können. Lediglich 100 Millionen Euro seien untersetzt.
Tatsächlich hatte Lange zugegeben, man erwarte zusätzliche Corona-Ausgaben im hohen zweistelligen Millionenbereich. Ihr Ressort schätze die notwendige Summe auf bis zu 100 Millionen Euro. Man müsse den Etat jetzt aufstocken, »damit wir nicht irgendwann im Sommer die weiße Fahne hissen müssen«. Ob wirklich 500 Millionen Euro extra gebraucht werden, vermochte Lange nicht zu sagen. Da sie das Geld zusammenhalten muss, hofft sie sogar, dass dies nicht der Fall sein werde. Lange kleidet das in die Formel: »Haben ist besser als brauchen.« Will heißen: Sie möchte sich die Summe bloß für alle Fälle sichern.
Dabei habe die Landesregierung so viel Geld »auf der hohen Kante« wie keine andere brandenburgische Regierung vor ihr, sagt Linksfraktionschef Walter. »An Geld mangelt es dieser Regierung nicht, es mangelt an politischem Willen.« Den Spruch »haben ist besser als brauchen« will sich Walter merken. Katrin Lange solle das doch, so empfahl er ihr, all jenen sagen, die seit Wochen und Monaten vergeblich auf die vollmundig versprochenen Coronahilfen warten.
Dass mehr Geld ausgegeben wird, dagegen hat Walter nichts. Es solle nur bei denen ankommen, die darauf angewiesen sind, etwa bei den Kommunen. So wäre es nicht schlecht, den Rückkauf privatisierter Krankenhäuser durch die Kommunen finanziell zu unterstützen, da man jetzt eingesehen habe, dass ein profitorientiertes Gesundheitswesen den Patienten schade.
Die Linke will in den kommenden Wochen in der Debatte über den Nachtragshaushalt noch weitere konkrete Vorschläge machen, wofür die Mittel sinnvoll ausgegeben werden könnten und sollten. Denn einen »Blankoscheck über eine halbe Milliarde Euro« möchte Walter der Finanzministerin nicht ausstellen.
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