SUV-Fakenews

Konservative machen Stimmung mit einer Umfrage zu Grünen-Wählern - und einer Auslegung der Daten, die schlicht falsch ist

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Es sind Wahlkampfzeiten, die Union liegt je nach Umfrage knapp hinter oder knapp vor den Grünen und die konservative Presse macht Stimmung mit einem ihrer Lieblingswerkzeuge - vermeintliche linke Heuchler zu entlarven, die selber nicht das leben, was sie predigen. Die alter Leier der Individualisierung struktureller Probleme, um einen politischen Wandel zu verhindern: Die meist unausgesprochene konservative Forderung, man müsse mindestens ein von persönlicher Entsagung gestählter, asketischer Heiliger sein, um etwa legitim eine andere Umwelt- und Industriepolitik fordern zu dürfen (was die meisten Menschen nicht sind, also müssten wir einfach weitermachen wie bisher, kein Wandel also!).

Diese Woche meinte die FAZ, einen neuen Beleg für grüne Heuchelei entdeckt zu haben: »Die Liebe der Grünen zum SUV«, so die Überschrift eines Artikels, den rechte Aktivisten schadenfroh im Internet teilten. Die Unterzeile verkündete: »Eine Umfrage zeigt: Niemand fährt so gerne Geländewagen wie die Öko-Klientel. Ausgerechnet«. Der gleiche Ton weht durch den Artikelbeginn: Was für ein Auto man kaufe, sei ja auch ein Statement, und SUVs seien ja »das Feindbild schlechthin«.

Doch nun zeige eine Umfrage, dass sich die Wähler der Grünen »überraschenderweise« am häufigsten für den Kauf von Geländewagen entscheiden würden. »Doppelmoral« und »Wasser predigen, Wein trinken«, schrieben rechte Nutzer auf dem Kurznachrichtendienst Twitter - Ziel erreicht, könnte man sagen.

Schon länger debattiert Deutschland in regelmäßigen Abständen über steigende Verkaufszahlen bei SUVs - in Zeiten der Klimakrise, wo eigentlich weniger Autos gefragt wären. Auch grüne Aktivisten haben in den letzten Jahren gegen die Großraumwagen mit ihrem Benzinhunger, Platzverbrauch und auch den besonders tödlichen Folgen von SUV-Unfällen für die, die nicht in den besonders robusten Autos sitzen, protestiert.

Doch tatsächlich geben die Daten der Umfrage die Interpretation von der grünen SUV-Liebe gar nicht her. Darauf machten auf Twitter ebenfalls viele Nutzer aufmerksam. Zunächst einmal sagt die Umfrage nichts über die Haltung von Grünen-Wählern allgemein aus, wie die Aufmachung des FAZ-Artikels suggeriert, sondern nur über jene Wähler der Partei, die im letzten Jahr ein Auto gekauft haben oder dies in den nächsten sechs Monaten vorhaben - eine Subgruppe der Grünen-Wähler - eine ziemlich kleine sogar, denn schon die Gruppe der Neu-Autokäufer ist insgesamt sehr klein in der Bevölkerung. Nicht befragt wurden die weitaus größere Gruppe der Menschen, die ein älteres Auto besitzen oder eben gar keines, trotzdem versteigt sich die FAZ zu dieser falschen Aussage: »Jeder sechste Grünen-Sympathisant« habe »einen Geländewagen vor der Haustür stehen«.

Laut der Befragung erklärten 16,3 Prozent der Befragten Neu-Autokäufer, die auch Grüne wählen, bereits einen SUV zu fahren - der höchste Wert! Doch direkt dahinter erklärten dies 16,0 Prozent der SPD-Wähler, 15,6 Prozent der Unterstützer der Union und 15,9 Prozent der AfD-Anhänger - minimale Unterschiede unterhalb der Grenze des Fehlerbereichs von drei Prozent für Befragungen mit rund 1000 Befragten.

»Die Umfrage zeigt, dass es keinen Zusammenhang gibt zwischen Parteiwahl und SUV fahren, außer einen niedrigeren Wert bei der Linken«, erklärte deswegen auch Tarik Abou-Chadi, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Zürich, auf Twitter. Der verantwortliche FAZ-Wirtschaftsredakteur habe ihm vermutlich bekannte, »basale Kenntnisse der Umfragenforschung« ignoriert, weil es besser ist für die Schlagzeile, vermutet Abou-Chadi.

Das Onlineportal Volksverpetzer spricht in einem Faktencheck schlicht von Fakenews-Produktion und -Wahlkampf. »Jeder 6. Grünen-Anhänger fährt SUV« verkündete die CSU-Gruppe im Bundestag per Instagram. Die Grünen-Wähler seien SUV-Fahrer und Vielflieger, so ein Propagandabild der Jungen Union, und Sven Schulze, Landesvorsitzender der CDU Sachsen-Anhalt, vielleicht müssten die Grünen »erstmal« bei den eigenen Wählern »für Klarheit« sorgen, dann dürfe man über den Kohleausstieg reden - die Individualisierung struktureller Probleme eben.

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