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Nur ein Tröpfchen auf dem heißen Stein
Linke-Mitbestimmungspolitikerin Jutta Krellmann kritisiert das Betriebsrätemodernisierungsgesetz
Laut Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sank auch 2020 der Anteil der Beschäftigten, die noch durch einen Betriebsrat vertreten sind. Er liegt derzeit nur noch bei 40 Prozent in West- und 36 Prozent in Ostdeutschland. Die Bundesregierung will dieser Entwicklung mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz entgegenwirken, das diesen Freitag im Bundestag beschlossen werden soll. Ist das Gesetz ein Schritt in die richtige Richtung?
Was die schwarz-rote Bundesregierung macht, reicht hinten und vorne nicht. Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz ist absolut ungenügend. Damit wird die Situation der Betriebsräte kaum verbessert. Es ist höchstens ein Tröpfchen auf dem heißen Stein.
Die Bundesregierung will den Kündigungsschutz für Angestellte stärken, die einen Betriebsrat gründen wollen. Ist das keine Verbesserung?
Auch das ist keine wirkliche Verbesserung. Angestellte, die einen Betriebsrat initiieren wollen, sind auch künftig nur vor normalen Kündigungen besser geschützt. Für außerordentliche Kündigungen gilt die neue Regelung nicht. Für Anwaltskanzleien, die Arbeitgeber beraten, wie sie Betriebsräte verhindern können, ist das ein gefundenes Fressen. Sie schauen sich jetzt schon den Gesetzesentwurf ganz genau an, um herauszufinden, wie sie den Kündigungsschutz umgehen können. Insofern hat die Bundesregierung mit dem Gesetz vielleicht einen kleinen Schritt nach vorne gemacht, aber dann gleich wieder zwei Schritte zurück.
Gibt es nicht zumindest in anderen Bereichen eine Verbesserung der derzeitigen Lage?
Bei Fragen der künstlichen Intelligenz (KI) im Betrieb gibt es in der Tat eine Verbesserung. Da können Betriebsräte künftig leichter Sachverständige hinzuziehen. Aber auch das wirft neue Fragen auf.
Inwiefern?
Es ist in dem Gesetz zunächst noch nicht mal definiert, was KI überhaupt ist. Und in vielen Betrieben wird sie auch noch nicht eingesetzt. Auch dies ist also nur eine sehr kleine Verbesserung, weil die Hinzuziehung eines Sachverstandes in vielen wie dem Gesundheits- und Arbeitsschutz nicht erleichtert wurde. Zudem können Arbeitgeber auch weiterhin eine schnelle Hinzuziehung von Sachverständigen verhindern, indem sie die Höhe der Vergütung des Sachverständigen in Frage stellen.
Die Grundprobleme geht die Bundesregierung also gar nicht an?
Nein. Und das zieht sich durch das ganze Betriebsrätemodernisierungsgesetz. Dabei wurde das Betriebsverfassungsgesetz seit 50 Jahren nicht wirklich verändert. Es gibt keine Antwort auf all die veränderten Arbeitsstrukturen in den Betrieben. Es gibt ja mittlerweile ganze Berufsgruppen, die es vor 50 Jahren noch nicht gab. Und deswegen ist es so dramatisch, dass im Grunde diese Chance, im Jahre 2021 wirklich mal was Vernünftiges auf den Tisch zu legen, einfach verpasst wurde.
Warum hat die Bundesregierung diese Chance verspielt?
Die Bundesregierung ist so hin- und hergerissen und von Lobbyinteressen beeinflusst, dass vermutlich nichts Besseres herauskommen konnte. Das sieht man auch am Abschnitt über den Kündigungsschutz: Im Referentenentwurf war der Kündigungsschutz noch wesentlich besser als er jetzt ist. Und wer mehr Verbesserungen verhindert hat, ist eindeutig: Das war die Union.
Organisationen wie die Initiative Arbeitsunrecht kritisierten, dass die Union sich ihre Zustimmung zum Gesetz teuer erkaufen ließ ...
Das stimmt. Im Gegenzug hat die SPD offenbar der Verlängerung der sozialversicherungsfreien Saisonarbeit auf 102 Tage zugestimmt. Das war ein schmutziger Deal auf Kosten vieler osteuropäischer Saisonarbeiter, die auf den Feldern hierzulande ackern. Und das, nachdem es vergangenes Jahr einen Aufschrei wegen ihrer miserablen Arbeits- und Wohnbedingungen gab, die sich damals zu Corona-Hotspots entwickelt hatten. Aber hätte es diesen Deal nicht gegeben, dann hätte es vermutlich das Gesetz gar nicht gegeben. Schließlich hat es die Union versucht zu verhindert. Und fast wäre sie damit durchgekommen. Denn bis zur Sommerpause gibt es im Bundestag nur noch zwei Sitzungswochen, und dann ist die Legislaturperiode im Grunde zu Ende.
Was wären richtige Verbesserungen für die Situation der Betriebsräte gewesen?
Meine Fraktion hat vorgeschlagen, dass auch Arbeitsgerichte zum Beispiel bei der Behinderung einer Betriebsratswahl die Möglichkeit haben sollen, Betriebsräte einzusetzen. Das könnte zum Beispiel auf Antrag von Angestellten oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft geschehen. Der eingesetzte Betriebsrat hätte dann Kündigungsschutz und die Aufgabe, die Wahl eines regulären Betriebsrats zu organisieren. Das würde Angestellte, die einen Betriebsrat initiieren wollen, wirklich vor Angriffen des Arbeitgebers schützen. Aber auch beim Thema befristete Beschäftigte hätte es Nachbesserungen gebraucht.
Was haben Befristungen mit Mitbestimmung zu tun?
Immer mehr Angestellte bekommen nur noch einen befristeten Arbeitsvertrag. Die zögern natürlich, sich im Betrieb zu engagieren, weil sie Angst haben, dass ihr Vertrag dann nicht vom Chef verlängert wird und sie dann ihren Job verlieren. Insofern wäre es sinnvoll, einen Übernahmeanspruch für gewählte Betriebsräte mit einem befristeten Arbeitsvertrag einzuführen. Hätte die Große Koalition tatsächlich den Willen gehabt, die Lage der Betriebsräte zu verbessern, dann hätte es also auch Sachen gegeben, die sie hätte liefern können. Das trifft auch auf andere Fragen der Mitbestimmung zu.
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat Nachbesserungen beim Betriebsrätemodernisierungsgesetz gefordert. Ein Bereich, der ihm dabei wichtig ist, hat in der Pandemie eine besondere Bedeutung gewonnen: mobile Arbeit.
Auch da hat die Bundesregierung das Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte nicht wirklich gestärkt. Sie sollen lediglich mehr Rechte bei der Ausgestaltung von Homeoffice und mobiler Arbeit bekommen. Aber der Arbeitgeber wird weiterhin Homeoffice verhindern können. Ein Recht auf Homeoffice, das der Betriebsrat gegen den Willen der Chefs durchsetzen kann, wird es also weiterhin nicht geben. Und das, nachdem die Beschäftigten vielerorts im Sinne des Pandemieschutzes ins Homeoffice geschickt wurden.
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Weil vieles nur noch digital läuft, fordert der DGB auch ein digitales Zutrittsrecht. Was halten sie davon?
Das ist auch sehr wichtig. Schließlich hat das Schwarze Brett an der Betriebskantine ausgedient. Viele Informationen werden in Betrieben nur noch per Email oder im Intranet geteilt. Das gilt besonders für Betriebe, in denen viele Angestellte von zu Hause aus arbeiten. Über die klassischen Kommunikationswege kommen die Gewerkschaften da nicht mehr an die Belegschaft ran. Insofern ist es wichtig, dass sie auch Zugang zu den digitalen Kommunikationskanälen bekommen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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