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Weniger Misstrauen und Bürokratie
Berliner Krankenhausgesellschaft fordert im Wahljahr klare gesundheitspolitische Positionierung
Genau jetzt müssen die gesundheitspolitischen Weichen gestellt werden, fordert Marc Schreiner, der Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft am Mittwoch. Denn jetzt, nachdem die Kliniken der Hauptstadt mit der Bewältigung der Corona-Pandemie gezeigt haben, zu welchen Spitzenleistungen sie fähig seien, gelte es, die Strukturen zu stärken und »eine moderne medizinische und pflegerische Versorgung der Zukunft, die Krisen bewältigen, Personal halten und verlässlich wirtschaften kann«, zu gewährleisten, so Schreiner weiter. Diese Forderung werde man im Vorfeld der Wahlen zum Abgeordnetenhaus im September »laut hörbar« machen, erklärte er.
Aus diesem Anlass legte die Krankenhausgesellschaft am Mittwoch einen 28-seitigen Katalog mit dem Titel »Gesundheitspolitische Positionen – sicher, nachhaltig, zukunftsorientiert« vor, an dem sich alle Parteien orientieren können, wenn es um ihre gesundheitspolitische Profilierung im Wahljahr 2021 geht. Denn da ist viel Luft nach oben: Dafür, dass Berlin sein über Jahrzehnte kaputt gespartes Gesundheitssystem wie auf dem Tablett vor sich herträgt, legen sich erstaunlich wenige Gesundheitsexpert*innen im Parlament für konkrete Verbesserungen ins Zeug. Überdeckt wird dies allerdings gern vom Loblied auf die Hauptstadt als medizinwissenschaftliches Zentrum und Standort hochmoderner Einrichtungen wie der Charité, unter anderem Vorzeigeobjekt des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD), der dem Aufsichtrat des Landesunternehmens als Senator für Wissenschaft und Forschung vorsitzt.
Die gesundheitswirtschaftlichen und exzellenzwissenschaftlichen Ambitionen helfen allerdings den maroden Häusern und vor allem ihren hochgradig belasteten Beschäftigten, die unter Personalnot und bürokratischem Aufwand durch das Fallpauschalensystem ächzen, nicht viel weiter. Und: Sich abzeichnende Fehlentwicklungen bei den Systemeinstellungen der Krankenhausversorgung seien während der Pandemie erdrückend deutlich geworden, so Schreiner.
Die BKG hatte vor zwei Jahren bereits die Berliner Klinikoffensive lanciert, in der sie an den Realitäten und nachhaltig orientierte Investitionen forderten, damit der Modernisierungsstau nicht mehr auf den Rücken der Mitarbeiter*innen ausgetragen wird. Die Fortsetzung dieser Offensive gehört zu den Kernforderungen, die nun auf dem Tisch liegen: Vor allem nach mehr Unterstützung bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels, nach weniger Bürokratie und Misstrauen sowie schnellerer Digitalisierung mit moderner Auftragsdatenverarbeitung.
Um den Fachkräftemangel, den Beschäftigtenvertreter*innen auch auf Berufsflucht aufgrund starker Überlastung zurückführen, wirksam zu bekämpfen, müssten Ausbildungskapazitäten gefördert, der »Qualifikationsmix« stärker beachtet und endlich die Pflegepersonal-Regelung eingeführt werden. Dass auf vielen Stationen Leiharbeit mehr Probleme schafft als beseitigt, ist ein offenes Geheimnis, aber auch sie ist ein Ergebnis schlechter Bedingungen: Pflegekräfte suchen flexiblere Arbeitszeiten und bessere Bezahlung, die ihnen Leasing-Firmen bieten, Kliniken aber nicht. Durch Bürokratieabbau, so heißt es weiter, insbesondere in der Pflege, werde dann auch wieder mehr Zeit für Patient*innen frei.
»Die Berliner Kliniken und Pflegeeinrichtungen sind bereit, sich diesen Herausforderungen zu stellen«, heißt es begleitend. Die Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung seien nun aufgerufen, »ihre Unterstützungsangebote zu machen und die Versorgung der Berliner Bevölkerung für die kommenden Jahre noch stärker aufzustellen«.
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