Im Schnelldurchlauf nominiert

Brandenburgs CDU bestimmt ihre Kandidaten für die Bundestagswahl

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

»Das war ja eine wirklich friedliche Wahl heute«, staunt die Tagungsleiterin Barbara Richstein. Sie weiß: »Das war auch schon anders.« Am Samstag nominierte Brandenburgs CDU in der Potsdamer Schinkelhalle ihre Landesliste für die Bundestagswahl am 26. September. Dabei hatte auch der Landesvorsitzende Michael Stübgen einen Grund zum Staunen. Er hätte vorher nicht geglaubt, dass die 60 Delegierten in weniger als zwei Stunden damit durch sein würden. Schon um 11.52 Uhr setzte Stübgen zu einer kurzen Schlussrede an, vier Minuten später packten alle ihre Sachen. Dabei hatte die Nominierungsversammlung nicht einmal pünktlich um 10 Uhr begonnen.

Wie bringt die CDU das fertig? Ganz einfach. Sie macht es genauso wie die SPD, die ihre Landesliste am 2. Mai ebenfalls in der Schinkelhalle aufgestellt hatte: Von den Kandidaten stellt sich allein der für Listenplatz eins vorgesehene Jens Koeppen vor. Alle anderen verzichten auf ihre drei Minuten Redezeit, auch stellt ihnen niemand eine Frage. Also kann flugs in einem Rutsch gewählt werden. Die Liste wird exakt so besetzt, wie es der Landesvorstand empfohlen hat. Es gibt kein Gerangel um die einzelnen Positionen und keine Gegenkandidaten. Der Bundestagsabgeordnete Jens Koeppen wird mit 52 Stimmen auf Listenplatz eins gesetzt - bei sechs Gegenstimmen und zwei Enthaltungen. Die Stimmen für die zwölf anderen Bewerber bewegen sich in einer Spannbreite zwischen 46 Stimmen für die Bundestagsabgeordnete Jana Schimke auf Platz drei und 58 Stimmen für den als Gesandten an der deutschen Botschaft in Warschau tätigen Knut Abraham auf Platz vier.

Ergebnisse bei Bundestagswahlen in Brandenburg

Eine Landtagswahl gewann die CDU in Brandenburg noch nie. Hier hatte immer die SPD die Nase vorn. Doch die Bundestagswahlen 2013 und 2017 gewann die CDU nicht nur insgesamt, sondern auch im Brandenburg-Maßstab, ebenso die Bundestagswahl 1990. Bei der Wahl 2009 lag in Brandenburg die Linke vorn.

2017 hatte die CDU in Brandenburg in neun von zehn Bundestagswahlkreisen gesiegt. Sie erhielt damals im Bundesland 26,7 Prozent der Stimmen (AfD 20,2 Prozent, SPD 17,6, Linke 17,2, FDP 7,1, Grüne 5,0).

Spitzenkandidat Jens Koeppen aus Schwedt ist von Beruf Elektromonteur. Geboren 1962 in Zeitz im DDR-Bezirk Halle, engagierte er sich 1989 beim Neuen Forum und trat 1997 in die CDU ein. Dem Bundestag gehört er schon seit 2005 an. af

Mit Platz sechs und sieben wieder auf der Liste finden sich die Ex-Oberbürgermeisterin von Brandenburg/Havel, Dietlind Tiemann, und die von der Lokalpresse schon ironisch als Doppelbegabung titulierte Saskia Ludwig. Denn Ludwig ist 2019 für Michael Stübgen in den Bundestag nachgerückt, als dieser Innenminister in Brandenburg wurde und sein Mandat abgab. Offenbar mit Blick auf die damals nur noch zwei Jahre bis zur Bundestagswahl 2021 verzichtete Ludwig aber nicht auf ihren bis 2024 sicheren Sitz im Landtag. Sie versucht zu schaffen, was niemand für möglich hielt: beide Mandate ausüben. Wenn sich Sitzungen überschneiden, hat man sie schon im Bundestag in Berlin abstimmen und dann schnell nach Potsdam wechseln und dort im Landtag eine Rede halten sehen.

Daniel Rosentreter (Platz 10) und Larissa Markus (Platz 13) werden am Samstag in Abwesenheit für den Bundestag nominiert. Bei Larissa Markus ist das nicht weiter schlimm. Denn wie CDU-Landeschef Stübgen sagt, gehen die Chancen auf ein Bundestagsmandat bei den Kandidaten auf den Listenplätzen 11 bis 13 ohnehin gegen null. Früher hat es die märkische CDU deshalb bei zehn Listenplätzen belassen. Nur zur Sicherheit werden jetzt drei Kandidaten mehr aufgestellt, falls es am 26. September wider Erwarten ein Rekordresultat gibt.

Doch stark verbessern werden sich wohl eher die Grünen. Auf denen will Stübgen nicht allzu sehr herumhacken, schließlich ist er als Innenminister Mitglied einer rot-schwarz-grünen Landesregierung. Aber einige bissige Bemerkungen kann er sich nicht verkneifen. »Die Grünen haben etwas geschafft, das ist uns noch nie gelungen«, sagt er. Sie erzeugten den Eindruck, wenn man sie wähle, tue man etwas für die Rettung der Welt. Das stimme zwar nicht, aber es sei so ein schönes Gefühl. Stübgen - von Beruf evangelischer Pfarrer - erinnert das an den Ablasshandel der katholischen Kirche bis vor 500 Jahren. Damals habe man sich mit Geld das gute Gefühl erkauft, in den Himmel zu kommen. »Es ist eine historische Aufgabe«, erklärt Stübgen, »dafür zu sorgen, dass der nächste Kanzler oder die nächste Kanzlerin nicht von den Grünen ist.«

Selbstverständlich wünscht sich Stübgen, dass der CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet Kanzler wird. Ob der das Zeug dazu hat? Viele zweifeln daran. Mehr als 80 Prozent der Deutschen wollen ihn Umfragen zufolge nicht als Kanzler haben. Stübgen versucht, die Zweifler mit einem Vergleich umzustimmen. Wer habe denn 2005 gedacht, dass die damalige CDU-Chefin Angela Merkel 16 Jahre lang eine so ausgezeichnete Kanzlerin sein würde? Wer außer vielleicht Stübgens Gattin? Die habe damals gesagt: »Frau und ostdeutsch, das muss gut gehen.«

Von Laschet wird in der Schinkelhalle ein Grußwort eingespielt. Darin sagt er: »Im Osten ist vielerorts die AfD unser erster Gegner. Dort darf sie keinen Wahlkreis gewinnen, auch in Brandenburg nicht.«

Die Gefahr besteht allerdings durchaus. Das weiß Brandenburgs CDU-Spitzenkandidat Jens Koeppen natürlich auch. Er hört immer wieder, dass jemand enttäuscht verrät, die CDU wolle er nicht mehr ankreuzen, sondern diesmal die AfD. Aber jede Stimme für diese Partei sei eine Stimme für »grüne Träumer, ideologische Sozialisten und müde Sozialdemokraten«, die dadurch eine Mehrheit erhalten könnten, argumentiert Koeppen. Seine Wunschkoalition ist eine schwarz-gelbe. Die Stimmung in der Bevölkerung sei im Moment zwar eher gegen die CDU. Die Parteifreunde sollten aber selbstbewusst rausgehen in den Wahlkampf und das ändern - beziehungsweise das Spiel noch drehen, wie Jens Koeppen in der Sprache des Fußballs sagt. Er ruft: »Putzen wir sie weg!«

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