Alle gegen »Bibi« in Israel

Chef der rechten Partei Jamina soll Premier werden

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war »die Rede, die Israel in dieser Zeit brauchte«, so Merav Michaeli, Chefin der sozialdemokratischen Arbeitspartei. Zur besten Sendezeit trat Naftali Bennett, Chef der rechten Partei Jamina (Nach Rechts) mit sechs der 120 Parlamentssitze, vor die Kamera und sprach von nationaler Einheit, »der geheimen Waffe, auf die alle Regierungen in unserer Geschichte zurückgreifen konnten«.

Fast inflationär wird der Begriff »Einheit« von israelischen Politiker*innen genutzt, taucht in Parteinamen und ansonsten inhaltsleeren Plakaten auf. Koalitionen über die Rechts-links-Grenze hinweg werden als »Regierung der nationalen Einheit« bezeichnet. Doch dieses Mal hat der Begriff tatsächlich eine Bedeutung: Sollte es die Koalition tatsächlich aus der Planungsphase zu einer im Amt bestätigten Regierung schaffen, würde sie mehr Bevölkerungsgruppen und politische Ansichten vereinen als je zuvor in der israelischen Geschichte. Von der Arbeitspartei und der linksliberalen Meretz bis zur rechten Jamina wäre alles vertreten, selbst zum allerersten Mal eine arabische Partei, die islamisch-konservative Ra’am.

Diese Fraktionen hat vor allem das Bedürfnis zusammengebracht, Regierungschef Benjamin »Bibi« Netanjahu loszuwerden. Seit mehr als zwölf Jahren regiert er ununterbrochen. Immer wieder stellte er sich als der Einzige dar, der Israel vor dem Iran, der Hamas und der Hisbollah schützen könne. Doch gleichzeitig zeichneten die Medien in den vergangenen Jahren das Bild eines durch und durch käuflichen Politikers: In drei Punkten ist Netanjahu der Korruption angeklagt; er soll für finanzielle und materielle Zuwendungen Entscheidungen forciert haben. Bei zwei Medien soll er zudem Einfluss auf redaktionelle Entscheidungen genommen haben.

Nach der vergangenen Wahl, der vierten innerhalb von nur zwei Jahren, war Netanjahu dann auch noch dazu bereit, mit der rechtsradikalen Religiös-Zionistischen Partei zu koalieren, deren Abgeordnete zum Teil der Kach-Bewegung zugerechnet werden. Sowohl Baruch Goldstein, der 1994 in Hebron 29 Palästinenser*innen erschoss, als auch Jig’al Amir, der 1995 Regierungschef Jitzhak Rabin ermordete, stammten aus dem Umfeld von Kach. Bei den Ausschreitungen in Ost-Jerusalem und den jüdisch-arabischen Konfrontationen waren die Abgeordneten dabei. Netanjahu distanzierte sich trotzdem nicht.

Netanjahu betonte in einer Fernsehansprache unmittelbar nach Bennetts Rede, die geplante Regierung sei eine »Gefahr« für Israel: Sie sei ein Zeichen der Schwäche an den Iran, die Hamas. »Was wird man in den Fluren des US-amerikanischen Außenministeriums von uns denken?« Das offensichtliche Ziel: Mindestens zwei Abgeordnete der potenziellen Koalition sollen dazu gebracht werden, die neue Regierung nicht zu unterstützen. Vor dem Wohnhaus von Bennetts Parteifreundin Ajelet Schaket zogen indes Demonstrant*innen auf; Schaket erhält seitdem sogar Personenschutz.

Bennett wird eher durch Zufall Regierungschef. Eigentlich war Jair Lapid, Chef der zentristischen Zukunftspartei, mit der Regierungsbildung beauftragt. Und versprach Bennett gleich den Chef-Posten für die Hälfte der Amtszeit; dabei hätte Bennett mit seiner Klein-Partei nie auch nur davon träumen können. Doch das Angebot hat Kalkül: Zwar tritt er für den Erhalt und die Stärkung der israelischen Siedlungen und gegen einen Rückzug aus den besetzten Gebieten ein. Doch gleichzeitig sind er und seine Partei für eine Stärkung der palästinensischen Autonomiebehörde. Zwar lehnte die palästinensische Regierung in einer Stellungnahme die geplante Regierung umgehend als »ultra-rechts« ab, doch Bennett gilt in Ramallah als Politiker, mit dem man reden kann.

Innenpolitisch hingegen ist man eher auf die Bedürfnisse der Normalbürger*in ausgerichtet. Schaket war als Justizministerin verantwortlich für eine Reform des Schuld- und Inkassorechts, das viele Menschen im Land von Überschuldung befreit hat. Bennett trat in der Vergangenheit für die Legalisierung von Cannabis ein. Bis Mittwoch hat Lapid nun noch Zeit, Präsident Reuven Rivlin eine fertige Regierung vorzustellen; danach muss die Knesset innerhalb einer Woche der Regierung das Vertrauen aussprechen. Sicher ist, dass Netanjahu bis dahin alles versuchen wird, die Regierungsbildung zu torpedieren.

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