Schranken, Tunnel oder Brücke

Der Bahnübergang in Eichwalde ist bis zu 28 Minuten pro Stunde geschlossen - eine Lösung wird gesucht

  • Andreas Fritsche, Eichwalde
  • Lesedauer: 4 Min.
Am Bahnübergang Friedenstraße. 1999 ereignete sich hier ein tödlicher Unfall. Ein Zug fuhr in ein steckengebliebenes Auto. Danach wurden Halbschranken eingebaut.
Am Bahnübergang Friedenstraße. 1999 ereignete sich hier ein tödlicher Unfall. Ein Zug fuhr in ein steckengebliebenes Auto. Danach wurden Halbschranken eingebaut.

Am Bahnübergang Friedenstraße in Eichwalde (Dahme-Spreewald) öffnen sich die Schranken. Etliche Autos rollen über die mit von Bodenwellen durchzogene Fahrbahn, auch ein Laster, dessen Ladung dabei laut scheppert. Einige Fußgänger und auch ein paar Radfahrer passieren die vier Gleise. Dann schließen sich die Schranken schon wieder. Züge der Berliner S-Bahn verkehren hier nach Königs Wusterhausen, Regionalzüge brausen beispielsweise in Richtung Cottbus durch. Es ist viel los auf der Strecke. Bis zu 28 Minuten pro Stunde ist der Bahnübergang deshalb geschlossen, und es könnte noch schlimmer kommen, wenn künftig mehr Züge fahren.

Deshalb wird überlegt, statt des beschrankten Bahnübergangs eine Brücke oder einen Tunnel zu bauen. Doch Eichwaldes Bürgermeister Jörg Jenoch (parteilos) hält von der Idee nicht viel. Zwar stauen sich früh im Berufsverkehr die Fahrzeuge vor den Schranken schon mal 200 Meter. Doch wenn es eine Brücke oder einen Tunnel gibt, dann zeigen Navigationsgeräte den Lastkraftwagenfahrern diesen Weg als mögliche Umgehung an, wenn es in der Nähe, auf der Autobahn A10, dem Berliner Ring, mal nicht vorwärtsgeht. Östlich von Eichwalde, in Kiekebusch, liegt ein großes Logistikzentrum, zu einem Viertel belegt durch den Onlineversandhändler Amazon. Westlich gelangt man zur entstehenden Tesla-Autofabrik in Grünheide. Dass sich der Schwerlastverkehr dorthin durch den reinen Wohnort Eichwalde wälzen könnte, dagegen ist der Bürgermeister. Das wäre ein Argument, lieber weiter mit den Schranken auszukommen.

Dagegen sagt Andrea Lübcke, Fraktionschefin der Grünen in der Gemeindevertretung: »Wenn wir wollen, dass der Verkehr klimaneutral wird, bedeutet dies auch, dass wir Bedingungen schaffen, die es mehr Menschen erlauben, vom Auto auf den Öffentlichen Personennahverkehr umzusteigen.« Doch wenn in ländlichen Gegenden Züge nur alle zwei Stunden mal halten, werde niemand das Auto stehenlassen. »Wir brauchen also eine Taktverdichtung«, so Lübcke. »Diese wiederum führt bei uns im Ort zu langen Schrankenschließzeiten.« Dadurch entstehe der Bedarf für eine »niveaufreie Querung«, also eine Brücke oder einen Tunnel.

Die Grünen haben am Donnerstag zu einem verkehrspolitischen Spaziergang eingeladen, an dem 25 Personen teilnehmen, darunter der Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar (Grüne). Er nennt neben einer Brücke und einem Tunnel noch eine weitere Möglichkeit: Die Straße bleibt, wie sie ist, aber die Bahn taucht in den Untergrund ab. Das wäre wahrscheinlich die teuerste Variante, und die Deutsche Bahn AG wäre davon sicherlich nicht begeistert, meint Gelbhaar. Aber: »Es ist keine Geldfrage. Es ist eine Frage, wo das Geld hingeht.« Denn es gebe in Deutschland unzählige kostspielige Verkehrsprojekte.

Falls zwischen Berlin und Cottbus einmal ICE-Züge mit mehr als Tempo 160 verkehren sollten, wäre ein beschrankter Bahnübergang sowieso nicht mehr zulässig. Ob es aber jemals dazu kommt, steht in den Sternen.

Das sei die große Frage, sagt die ehemalige Landtagsabgeordnete Heide Schinowsky (Grüne), die bei dem Spaziergang einige Ausführungen macht. »Man bekommt es nicht richtig raus. Sagen wir mal: Das Projekt ist noch nicht tot.« Es geistere noch herum. Hilfreich wäre, wenn mal klar gesagt werden würde: »Das wird sowieso nichts.« Dann ließe sich besser planen.

Verkehrsprojekte vorbereiten und umsetzen, das dauert in Deutschland viele Jahre. Seit 2010 kämpfte Eichwalde um einen barrierefreien Zugang zu seinem S-Bahnhof. 2014 demonstrierten Bürger der Gemeinde bei der Deutschen Bahn in Berlin dafür. Schließlich pendeln 2500 Einwohner allein von Eichwalde nach Berlin zur Arbeit, erklärt Bürgermeister Jenoch. Dazu kommen noch die Pendler aus dem benachbarten Schulzendorf, die ebenfalls in Eichwalde in die S-Bahn einsteigen - und die Menschen, die zu Besuch oder zum Einkaufen nach Berlin fahren.

Seit 2018 wird der Bahnhof endlich barrierefrei umgebaut. Eigentlich sollte er schon fertig sein. Zuletzt hieß es, die Baumaßnahmen könnten im Oktober 2021 abgeschlossen sein, berichtet der Bürgermeister. Doch es ergab sich eine erneute Verschiebung auf den Februar. »Wenn ich so etwas höre«, sagt Jenoch, »frage ich inzwischen immer: ›Welches Jahr?‹« Es soll der Februar 2022 sein. Wenn das klappt, könnten die Einwohner die Unterführung am Bahnhof ab dann bequem nutzen, ohne Treppen zu steigen - sie bekommen Rampen, was beispielsweise für Eltern mit Kinderwagen eine enorme Erleichterung ist. Aber noch dauert es, und man erreicht den Bahnsteig so lange nur über eine provisorische Fußgängerbrücke - eine Metallkonstruktion mit steilen Treppen. Immerhin geht es auf der Baustelle offenbar voran. Ein Betonmischfahrzeug fährt rückwärts heran und verursacht dabei so viel Lärm, dass die Teilnehmer des Spaziergangs lieber ein Stück weiter gehen, um noch zu hören, was sie sich zu sagen haben.

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