Bitte keinen Sommernachtstraum

Stephan Fischer über das Erwachen nach mehreren Monaten Lockdown

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach mehr als sieben Monaten erwacht das Leben in Europa langsam, aber durchaus heftig. Überall Öffnungen und Lockerungen nach den zweiten und dritten Wellen, auch in Deutschland. Impfkampagnen machen Fortschritte trotz diverser Ruckeleien, über die im Zweifel derzeit hinweggesehen wird. Kein Vergleich zur Stimmung vor zwei Monaten, um die Ostertage herum, als selbst Wohlmeinendste nach dem Fiasko um die sogenannte Osterruhe ihr Restvertrauen in die Krisenbewältigung seitens der Politik, auf jeder Ebene, verloren zu haben schienen.

Doch so, wie es von jedem Tiefpunkt erst einmal nur noch aufwärts gehen kann, werden andererseits im Moment des Überschwangs, ob des vermeintlichen Sieges oder zumindest der Freude über eine bewältigte Etappe, oft große Fehler gemacht. Und einige drohen auch jetzt wieder, genau jetzt. Die Gründe hierfür machen die Sache teils verflixt kompliziert - weil sie so verständlich und nachvollziehbar sind.

Endlich wieder Sommer, endlich Wahlkampf und auch Wahlen, China hat Demografieprobleme ..., stopp: China hat demografische Probleme, und in den dazugehörigen Meldungen und Texten taucht Corona nicht einmal auf.

Die Zahlen des RKI wandern ans Ende der Nachrichten. Die weltweite Pandemie war in den vergangenen anderthalb Jahren das Hauptthema, das einzige Thema, sowohl das Metathema als auch das den meisten Nachrichten und Diskussionen zugrunde liegende Thema. Ein Überdruss allein beim Lesen oder Hören des Wortes ist völlig verständlich.

Doch die vor allem mediale Berichterstattung über die Pandemie war und ist nicht die Pandemie selbst: So wie Covid-19 nicht aus dem Nichts plötzlich auftauchte, wird es nicht analog zur Berichterstattung einfach verschwinden. Keinem Menschen und auch keiner Gesellschaft ist es auf Dauer möglich und auch nur zuträglich, in permanentem Alarmzustand samt dauerhafter individueller Ohnmacht zu leben und zu existieren.

Das Bedürfnis nach Urlaub, auch und gerade von der Pandemie, ist verständlich und muss gestillt werden - 2021 noch viel stärker als 2020. Im vergangenen Frühjahr war der Schock groß, aber die Zahlen waren im Vergleich zum Herbst und zum Winter 2021 deutlich niedriger. Im vergangenen Sommer, als die Lage im Vergleich zu jetzt recht entspannt war, geschah zur Vorbereitung auf die nächsten Wellen in vielen Bereichen ... nichts. Aus dem »Prinzip Hoffnung« wurde vor allem im Bereich der Jugend und der Schulen ein Prinzip »Augen zu und durch« und »Wird schon schiefgehen«.

Schiefgegangen ist genug, und manche Folgen sind noch nicht einmal in Gänze abzusehen. Statt sich den Sommer über in eine coronafreie Welt zu träumen, muss das Prinzip Hoffnung präzisiert werden. »Hoffe das Beste - und bereite dich auf das Schlimmste vor.« Der Urlaub ist irgendwann zu Ende. Das nächste Schuljahr kommt mit Sicherheit. Und Corona wird nicht die letzte Pandemie gewesen sein.

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