Geschichte als Tummelplatz für Laien

Kulturausschuss des Landtags befasst sich mit dem Beitrag von Ehrenamtlichen zur Erforschung der Vergangenheit

  • Wilfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 3 Min.

Können Laien die Geschichte auf- oder abarbeiten oder können sie historische Ereignisse, so wie Fachleute auch, allenfalls so oder so bewerten? Mit vielen kompetenten Gesprächspartnern aus der Praxis befasste sich am Mittwoch der Kulturausschuss des Landtags mit dem Thema »ehrenamtliche Geschichtsarbeit im Land Brandenburg«.

Einmal im Jahr machte sich früher eine Gruppe von Altlinken in Potsdam auf, um die letzte verbliebene Statue von Lenin im Stadtgebiet zu reinigen - natürlich nur so lange, bis sich die Stadt diese auf der Denkmalliste stehende Plastik rauben ließ. Aber diese Putzkolonne gehörte letztlich zu den Hobbyhistorikern, zumindest nach der Definition von ehrenamtlichen Geschichtsarbeitern, die Magdalena Abraham-Diefenbach von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) im Kulturausschuss lieferte. Menschen, die Stolpersteine reinigen, die Grünanlagen um Gedenkstätten herum pflegen und ähnliches unentgeltlich leisten, seien in Frankfurt (Oder) als Hobbyhistoriker unabdingbar. Das gelte, obwohl auch sehr viele hauptamtliche Institutionen der historischen Forschung in der Stadt beheimatet seien. In der Vergangenheit war die Stadt- und Ortsgeschichte oft ein Reservat oder Tummelplatz für Rentner, meist für Männer, setzte Abraham-Diefenbach hinzu. Nun aber habe sich das Bild geändert. Auch die junge Generation widme sich dem Thema - auf ihre besondere und spezifische Weise. Und so hoch die Bedeutung sei, die in Deutschland der stark geförderten Gedenkkultur beigemessen werde - leider werde das Ehrenamt auf diesem Gebiet immer noch als »weniger relevant« angesehen.

Tatsächlich liegt die Erforschung der jeweiligen Ortsgeschichte in der Regel in den Händen von Laienhistorikern, sagte Professor Klaus Neitmann, Vorstandsvorsitzender der Brandenburgischen Historischen Kommission. Weniger von Belang sei dabei, ob es sich um Zugezogene oder Alteingesessene handle. »Entscheidend ist die emotionale Verwurzelung.« Nicht zu übersehen ist für Neitmann, dass es weniger an Engagement fehlt, nicht selten jedoch an nötigen Fachkenntnissen. Diese Kenntnisse seien aber unabdingbar, wenn der Anspruch erfüllt werden solle, über erschlossene Quellen zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Immerhin gebe es seit mehr als 15 Jahren regelmäßige Weiterbildungsveranstaltungen und auch »Tage der regionalen Orts- und Regionalgeschichte«.

Aus Sicht von Professor Frank Göse von der Universität Potsdam gehören die Landesgeschichte und die Ortsgeschichte mitunter zu den vernachlässigten Themen. Gerade aber in den für viele Menschen gegenwärtig unübersichtlichen Zeiten könnte die Vergewisserung anhand der Regionalgeschichte Halt und Sicherheit bieten.

Im Landeshauptarchiv habe sich die Zahl der Laienforscher unter den Nutzern zuletzt auf 20 Prozent verdoppelt, sagte Archivdirektor Mario Glauert. Man sei da gern behilflich. Es gibt aber Klagen, dass Wünsche derzeit aus Kapazitätsgründen zurückgewiesen werden, berichtete die Abgeordnete Isabelle Vandré (Linke) und wollte wissen, wie das nun sei. Glauert räumte ein, dass es einen »Rückstau« gebe. Die Corona-Pandemie habe in den vergangenen Monaten nur die Besetzung von zehn Plätzen pro Tag im Lesesaal zugelassen. Glauert erinnerte an die 14 Kreisarchive und die 50 Stadt- und Gemeindearchive im Bundesland, die für Laienforscher ebenfalls als wichtige Fundgruben genutzt werden könnten.

Das Ehrenamt stellt eine wichtige Unterstützung für die Museen im Land dar, unterstrich Susanne Köstering, Geschäftsführerin des brandenburgischen Museumsverbandes. Zunehmend halten Laienhistoriker die wissenschaftlichen Standards ein oder setzen selbst welche. Es gehe um das korrekte Zitieren, die kritische Quellenanalyse und andere Dinge, so Köstering. Sie regte an, der Landes- und Regionalgeschichte an den Hochschulen Brandenburgs mit der Einrichtung von Professuren und Assistenzstellen eine höhere Wertigkeit einzuräumen. Dass dies zurzeit noch eher gering entwickelt ist, »sehen wir als große Lücke an«.

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