Ziel: Rechtsaußen Maaßen verhindern

Campact wirbt in Südthüringer Bundestagswahlkreis für gemeinsamen Kandidaten von Rot-Rot-Grün

  • Sebastian Haak
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Südthüringer Bundestagswahlkreis 196 ist seit Wochen in aller Munde. Denn hier bewirbt sich der Ex-Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, um ein Direktmandat. Das CDU-Mitglied hat dafür seine Mitgliedschaft in der rechtskonservativen Werteunion ruhen lassen.

Wegen des umstrittenen Kandidaten kümmert sich auch das bundesweit aktive Kampagnennetzwerk Campact um den Wahlkreis. Es gab beim Forsa-Institut eine repräsentative Umfrage in Auftrag. Ihr zufolge liegt in dem Wahlkreis, der neben der Stadt Suhl die Landkreise Schmalkalden-Meiningen, Hildburghausen und Sonneberg umfasst, derzeit der ehemalige Biathlon-Olympiasieger und -Bundestrainer und SPD-Kandidat Frank Ullrich knapp vor Maaßen.

Könnten die Wahlberechtigten dort jetzt ihre Erststimme abgeben, würden sich laut Forsa 22 Prozent für Ullrich und 20 Prozent für Maaßen als Direktkandidaten entscheiden. Für den Kandidaten der Linken, Sandro Witt, würden demnach 16 Prozent stimmen. Fast jeder Zweite würde in Südthüringen bei der Wahl der CDU oder der AfD seine Stimme geben.

Hauptinteresse von Campact bei der Umfrage war indes herauszufinden, wie sich die Wahlpräferenzen ändern würden, wenn SPD und Linke oder SPD, Linke und Grüne einen gemeinsamen Direktkandidaten ins Rennen schicken würden. Felix Kolb, geschäftsführender Vorstand von Campact, sagt zu den Beweggründen für die Erhebung: »Hans-Georg Maaßen ist hochproblematisch und demokratiezersetzend.« Der ehemalige Chef des Inlandsgeheimdienstes sei »nicht irgendjemand«, sondern »potenziell die zentrale Brücke von der CDU ins rechtsextreme Verschwörungsmilieu«.

Von Versuchen, einen gemeinsamen Kandidaten der drei Parteien zu finden, wird seit geraumer Zeit in Berliner und Thüringer Politikzirkeln geraunt. Es soll Telefonate und die eine oder andere Kurznachricht gegeben haben. Doch offiziell wird das dementiert. Die Thüringer SPD-Vorsitzende Diana Lehmann antwortet gegenüber »nd« auf die Frage, ob es solche Gespräche gegeben habe, mit einem knappen »Nein«. Zugleich wird aus SPD, Linke und Grünen bestätigt, dass Campact an die drei Parteien mit diesem Anliegen herangetreten ist. Auch Felix Kolb räumt das unumwunden ein. Seine Organisation habe das Gespräch mit den drei Parteien gesucht, um auszuloten, ob es eine gemeinsame Kandidatur geben könnte. »Als klar war, dass es kein Selbstläufer wird, einen gemeinsamen Kandidaten gegen Maaßen aufzustellen, wollten wir mit dieser Umfrage ein bisschen nachhelfen«, sagt Kolb. Deren Ergebnisse sollten eigentlich noch gar nicht bekannt werden, wurden aber vor knapp einer Woche von der Tageszeitung »Freies Wort« öffentlich gemacht. Man habe damit die Chancen eines »rot-rot-grünen« Kandidaten gegen Maaßen ermitteln wollen. In der Auswertung der Befragung heißt es, dass sich, würden sich SPD und Linke auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen, »die Chancen für Ullrich deutlich, die für Witt etwas« verbesserten. Dass die Grünen-Kandidatin für den Wahlkreis, Stephanie Erben, in der Umfrage nicht berücksichtigt wurde, liegt daran, dass sie zum Zeitpunkt der Befragungen noch nicht nominiert war. Allerdings sind die Chancen der Grünen auf ein Direktmandat im Wahlkreis 196 ohnehin gering.
Laut Umfrage könnte Linke-Kandidat Sandro Witt, würde er von den drei Parteien gemeinsam aufgestellt, mit 24 Prozent der Erststimmen rechnen, und Maaßen mit 22 Prozent. Würde SPD-Mann Ullrich von Linkspartei, SPD und Grünen ins Rennen geschickt, würden sich für ihn hingegen sogar 34 Prozent und für Maaßen nur 20 Prozent der Wähler entscheiden. Die Kandidaten von FDP, Gerald Ullrich, und AfD, Jürgen Treutler, haben in keiner dieser Berechnungen eine Chance auf das Direktmandat.
Kolb kommentiert diese Stimmungslage gegenüber »nd« so: »Ullrich hat einfach eine Anschlussfähigkeit in der Gesellschaft, die Witt nicht hat. Ich kann gar nicht beurteilen, warum das so ist und auch nicht, ob das fair ist, aber so ist die Lage.« Bislang hüllt man sich bei der Linken in Schweigen, wenn es um die Umfrageergebnisse geht. Er wolle diese im Moment nicht kommentieren, sagte Sandro Witt dem »nd«. Auch zu der Frage, ob er bereit wäre, auf seine Bundestagskandidatur zu verzichten, möchte er sich nicht äußern.
Die SPD hält sich mit der Bewertung der Ergebnisse ebenfalls auffällig zurück – wohl auch, um die Chancen auf eine Einigung nicht zunichte zu machen. SPD-Landeschefin Lehmann freut sich über die Zustimmungswerte zu Ullrich und kündigt an, im Wahlkampf seinen Vorsprung ausbauen zu wollen. Ob Ullrich aus ihrer Sicht von Linke und Grünen mitgetragen werden sollte, dazu äußert sie sich jedoch nicht. Nur die Grünen geben sich betont offen für die Aufstellung von Ullrich als gemeinsamen Bewerber. »An uns soll das nicht scheitern«, sagt Grünen-Landessprecherin Ann-Sophie Bohm. Man sei sich der Verantwortung bewusst, »die wir in diesem Wahlkreis haben«.
Maaßen selbst dürfte die Anstrengung der politischen Gegner indes als Genugtuung empfinden – nach dem Motto: Seht her, weil ich für euch hier unten gegen die Links-Grünen da oben kämpfe, wollen sie mich mit allen Mitteln loswerden! Und ganz unrecht hat er damit nicht: Felix Kolb von Campact betont zwar, man wolle einen gemeinsamen Gegenkandidaten zu Maaßen nicht unmittelbar »pushen«. Die Umfrage sei dennoch »nicht unsere letzte Aktion gewesen«.

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