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Kritik an Bildungsministerium reißt nicht ab

Wissenschaftler*innen reagieren auf Statement zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer kennt sie nicht: Eine Person, die unglaublich gebildet ist, aber ihre Habilitation mit Hilfe von Arbeitslosengeld fertig schreiben muss, weil die Zeit an der Uni nicht ausreichte? Weil der Arbeitsvertrag irgendwann, nach zwei, drei, vier oder auch acht Jahren nicht mehr verlängert wurde. Dass die Person der Universität zuvor durch sogenannte Drittmittel-Anträge Gelder in der Höhe von zigtausend Euro beschafft haben kann, viel mehr, als sie selbst je an der Universität verdient hat, fällt dabei unter den Tisch. Denn: Befristungen von bis zu zwölf Jahren und prekäre Arbeitsbedingungen gehören zur Wissenschaft wie Armut zu Berlin. Sexy!

Nachdem unter #IchbinHanna unzählige Wissenschaftler*innen ihre prekären Arbeitsbedingungen an Universitäten thematisiert haben und den Hashtag vergangene Woche auf dem Nachrichtendienst Twitter zum Trenden brachten, sah sich das Bildungsministerium jetzt gezwungen, Stellung zu beziehen. In einer Antwort auf die persönlichen Schilderungen von Akademiker*innen versuchte das CDU-geführte Ministerium, der Kritik am Wissenschaftszeitvertragsgesetz den Wind aus den Segeln zu nehmen. Doch der Schuss geht nach hinten los.

»Das Statement wiederholt eigentlich nur die Argumente, die in dem #IchbinHanna-Video bereits vorkommen«, erklärt Kristin Eichhorn gegenüber »nd«. Das Video, das Eichhorn anspricht, ist schon älter. 2018 wurde es vom Bildungsministerium auf YouTube veröffentlicht. Anhand der fiktiven Physikerin Hanna wird darin das Wissenschaftszeitvertragsgesetz erklärt. So kamen reale Wissenschaftler*innen auf die Idee, den Hashtag »IchbinHanna« ins Leben zu rufen. Mit Fotos und persönlichen Erfahrungsberichten nahmen sie das Video, das an die Sendung mit der Maus erinnert, auseinander.

Tatsächlich ermöglicht das Wissenschaftszeitvertragsgesetz Befristungen an der Universität für eine Promotion bis zu einer Dauer von sechs Jahren, wenn die befristete Beschäftigung zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt. Diese Definition gilt allerdings auch für wissenschaftliche Arbeiten im Postdoc-Bereich, also auch nach dem erfolgreichen Abschluss einer Promotion, zum Beispiel eine Habilitation. So kann eine Person sowohl während der Promotion als auch während der Habilitation befristet angestellt werden - insgesamt über einen Zeitraum von zwölf Jahren. Planungssicherheit für die eigene wissenschaftliche Arbeit gibt es dabei nicht.

Eichhorn ist studierte Germanistin und hat einen Doktortitel und eine Habilitation. Sie arbeitet an der Universität Paderborn als Dozentin und betreibt dort auch Mittelakquise für die Forschung. Im Gespräch mit »nd« sagt sie, dass sie zur Zeit den dritten befristeten Arbeitsvertrag als wissenschaftliche Mitarbeiterin hat. Zuvor war sie bereits als wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität Kiel angestellt. »Insgesamt komme ich bestimmt schon selbst auf zehn befristete Verträge«, so Eichhorn.

An dem jüngst veröffentlichten Statement des Bildungsministeriums ärgert sie am meisten, dass das Bildungsministerium auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweist. So heißt es in dem Statement, es sei »weit verbreitet, dass Arbeitnehmer während der Qualifikationsphase befristet tätig sind«. Durch das Teilzeit- und Befristungsgesetz ist für den allgemeinen Arbeitsmarkt allerdings geregelt, dass Arbeitsverträge vom gleichen Arbeitgeber nur für einen Gesamtzeitraum von zwei Jahren befristet werden dürfen. Eichhorn sagt, das Bildungsministerium mache mit dem Schreiben deutlich, dass sich »der Staat eigene Gesetze schreiben kann, wie es ihm gerade passt«.

Die Wissenschaftlerin bemängelt außerdem, dass das Bildungsministerium versuche, die Verantwortung auf die Länder abzuschieben. Das Gesetz wurde schließlich vom Bund geschaffen und dementsprechend müssten sich die Länder daran halten. Der Satz: »Aus der bloßen Existenz dieses Befristungsrechts im Wissenschaftszeitvertragsgesetz lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass Dauerstellen nicht gewollt sind« lässt bei Eichhorn das Fass zum Überlaufen bringen. »Das ist totaler Quatsch. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz erlaubt erst Befristungen in diesem Umfang und macht sie damit auch wahrscheinlich«, sagt die 34-Jährige.

Auf Twitter gibt es derweil Aufregung über ein weiteres Erklärvideo des Bildungsministeriums. Darin wird Hannas Situation als junge Mutter in der Wissenschaft dargestellt. Durch den Mutterschaftsurlaub und die Elternzeit könnte Hanna einen weiteren befristeten Vertrag von zwei Jahren in der Wissenschaft erhalten, lobt das Video in gewohnt netter Sendung-mit-der-Maus-Sprache. Blöd für das Ministerium, dass die angesprochenen Akademiker*innen etwas mehr auf dem Kasten haben als kleine Kinder und schon wieder die prekären Strukturen kritisieren, anstelle sich darüber zu freuen.

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