AfD-Mann wollte Grünen-Politiker »verschwinden lassen«

Landtagsabgeordneter wurde von Rechtem bedroht. Zur Anklage kommt nur das Bagatelldelikt Beleidigung

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Amtsgericht im südniedersächsischen Einbeck verhandelt am Donnerstag einen Fall von Hasskriminalität. Carsten Helsper, Beisitzer im Vorstand des AfD-Kreisverbandes Northeim, muss sich wegen Beleidigung verantworten. Er hatte den Grünen-Landtagsabgeordneten Christian Meyer einen »Ochsen« genannt und angeregt, ihn in einer Güllegrube zu entsorgen. Im Northeimer AfD-Kreisvorstand sitzt auch der Bundestagsabgeordnete und Partei-Rechtsaußen Jens Kestner.

Meyer, stellvertretender Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Landtag in Hannover und vormaliger Landwirtschaftsminister Niedersachsens, hatte im Mai 2020 in einer Landtagsrede die Erhöhung der Rundfunkbeiträge gefordert. »Wir Grüne stehen zum Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk und wollen eher mehr Berichterstattung und Recherche als bisher«, sagte er damals. »Daher sollten wir die Rundfunkgebühren, die ja in den letzten Jahren eingefroren und sogar abgesenkt worden waren, anheben.«

Diese Einlassung rief die AfD auf den Plan. In einer auch auf Facebook verbreiteten Pressemitteilung ihrer Landtagsfraktion hieß es: »Der Staat mästet den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bereits mit beinahe acht Milliarden Euro (…). Nun will der Abgeordnete Meyer diesem aufgeblasenen Apparat noch weitere Gelder zukommen lassen, während Millionen Deutschen finanzielle Verluste drohen.«

Helsper setzte noch einen drauf. »Ach der nu wieder…«, schrieb er. »Kann man den Ochsen nicht in irgendeiner Gülle-Lagune unauffällig verschwinden lassen? Meinetwegen auch auf einem Bio-Betrieb…« Der Facebook-Post wurde inzwischen gelöscht, es existiert aber ein Screenshot.

Eine Woche später zeigte Meyer den AfD-Mann bei der Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung, Bedrohung und Beleidigung an. Doch die ermittelte zunächst nicht. Dabei hatte Landesjustizministerin Barbara Havliza (CDU) im Juni 2020 eine neue »Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet« aus der Taufe gehoben.

Die bei der Staatsanwaltschaft Göttingen angesiedelte Behörde werde die einschlägigen Ermittlungs- und Strafverfahren bearbeiten – also etwa Beleidigungen wegen der Nationalität, der ethnischen Zugehörigkeit, der Hautfarbe oder der Religionszugehörigkeit einer Person, erklärte Havliza. Dabei solle die Zentralstelle insbesondere Verfahren im Blick haben, »in denen Amts- und Mandatsträger von Hasskriminalität betroffen sind oder die in Quantität und Qualität aus der Masse herausstechen«.

Nach einem halben Jahr, kurz vor Ablauf der dafür erforderlichen Frist, fragte die Northeimer Polizei bei Meyer an, ob er in der Causa Strafantrag wegen Beleidigung stellen wolle. Eine Beleidigung ist ein sogenanntes Antragsdelikt. Sie wird immer nur auf einen Strafantrag hin verfolgt, eine bloße Anzeige reicht dafür nicht aus. Stellt der Geschädigte keinen Antrag, werden die Ermittlungsbehörden nicht tätig.

»Das Schreiben der Polizei hat mich kurz vor Weihnachten im Landtag erreicht, ich war nur zufällig noch mal im Büro«, sagt Meyer. Er habe daraufhin Strafantrag gestellt. »Ich will damit auch ein Zeichen setzen für diejenigen, die von rechtem Hass und Hetze im Netz betroffen sind und sich nicht so wehren können wie ein Landtagsabgeordneter und ehemaliger Minister.«

In der »Strafsache gegen Carsten Helsper wegen Beleidigung« ist der Grünen-Politiker am Donnerstag nun als Zeuge geladen. Von Volksverhetzung und Bedrohung ist in der Ladung keine Rede. Dabei fühlt sich Meyer durchaus auch persönlich bedroht. Seine private Wohnungsadresse in Holzminden, seine Handynummer und weitere Daten von ihm tauchten seit dem Hackerskandal gegen Grünen-Politiker im Jahr 2019 immer wieder in rechten Foren auf. Und von der Polizei hat Meyer die Information erhalten, dass sein Name auch auf einer oder mehreren »Feindeslisten« von Rechtsradikalen stand.

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