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Polizeiskandal weitet sich aus
Mehr hessische Beamte unter den Verdächtigen in Nazi-Chat, als bisher bekannt
Der CDU-Politiker Beuth hatte vor wenigen Tagen das SEK des Polizeipräsidiums in Frankfurt am Main wegen rechtsradikaler Äußerungen von Polizisten in Chatgruppen aufgelöst. Zudem wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft gegen 18 aktive und 2 ehemalige SEK-Angehörige ermittelt. Die Verdächtigen sollen unter anderem Hakenkreuze und Bilder von Adolf Hitler ausgetauscht haben. Gegen weitere Beamte laufen disziplinarische und arbeitsrechtliche Maßnahmen. Beuth betonte, dass es sich um einen Zwischenstand handele. Der Minister verwies auf Durchsuchungen in der vergangenen Woche. Das dabei sichergestellte Material werde weiter ausgewertet.
Die Landtagsfraktionschefin der SPD, Nancy Faeser, sagte, die Erklärung von Beuth zeige, dass es sich um eine deutlich größere Dimension handele als bislang bekannt. Zudem stelle sich die Frage, warum das Landeskriminalamt Hessen die Ermittlungen führe, obwohl in dem Fall auch gegen zwei LKA-Beamte vorgegangen werde.
Die hessische Linksfraktionschefin und Bundesvorsitzende Janine Wissler erklärte zur Sitzung des Innenausschusses, in der Beuth die Abgeordneten informiert hatte: »Gestern Abend ist die ganze Dimension des Skandals deutlich geworden. Vor diesem Hintergrund wird immer wahrscheinlicher, dass es ein rechtes Netzwerk in der hessischen Polizei gibt. Wer weiterhin von sogenannten ›Einzeltätern‹ schwadroniert, verkennt vollkommen die Realität und sagt schlicht die Unwahrheit.«
Der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Hermann Schaus, wies zudem darauf hin, dass der Innenminister zugeben musste, dass auch ein Ausbilder an der Hessischen Polizeiakademie Teil des rechten Netzwerkes sei. »Dadurch erhält der Skandal noch eine neue Brisanz. Unklar ist weiterhin, ob es konkrete Verbindungen zwischen dem Frankfurter SEK und der Terrorgruppe ›Nordkreuz‹ gibt. Hier muss der Innenminister schnellstens für Aufklärung sorgen«, forderte Schaus.
Die Initiative 19. Februar Hanau verbreitete am Mittwoch eine Pressemitteilung, wonach 13 der 19 verdächtigen Polizeibeamten aus der aufgelösten SEK-Einheit in der Tatnacht am 19. Februar 2020 in Hanau im Einsatz gewesen seien. Das habe der hessische Innenminister bestätigt. »Es muss nun zügig geklärt werden, wie sich diese Beteiligung auf das Einsatzgeschehen in der Tatnacht ausgewirkt hat und ob Rechtsextreme gar in leitender SEK-Position in Hanau das polizeiliche Versagen am Täterhaus zu verantworten haben«, sagte Newroz Duman von der Initiative.
»Es ist und bleibt unglaublich, dass Innenminister Beuth noch immer nicht von seinem Amt zurücktritt. Er bagatellisiert weiterhin die rechtsextremen Strukturen in der hessischen Polizei und wird seiner Verantwortung in keiner Weise gerecht«, fügte Duman hinzu. Bei dem rassistischen Anschlag in der hessischen Stadt waren im Februar 2020 neun Hanauer mit Migrationshintergrund getötet worden. Der Täter war ein 43-jähriger Hanauer, der anschließend in der elterlichen Wohnung seine Mutter und sich selbst erschoss.
Die Zeiten für den Innenminister und die schwarz-grüne Landesregierung unter Führung von Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) dürften schwieriger werden. Vertreter der Regierung müssen sich nun im Parlament rechtfertigen. Am Donnerstag findet auf Antrag der Linksfraktion eine Aktuelle Stunde im Wiesbadener Landtag zu den rechten Netzwerken in der hessischen Polizei statt.
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