- Brandenburg
- deutsch-polnische Freundschaft
Streit unter Freunden
Feierstunde zum Nachbarschaftsvertrag mit Polen mit gegenseitigen Vorwürfen
Mit dem Bekenntnis zur weiteren Entwicklung der Beziehungen zu Polen stellte der Landtag am Donnerstag die Weichen. Bei der Abstimmung enthielt sich einzig die AfD. Es war eine Feierstunde anlässlich des 30. Jahrestages der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages vorausgegangen, und es folgte eine Aussprache im Parlament. Dabei wurde der Ton zunehmend rauer.
Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke und Ministerpräsident Dietmar Woidke (beide SPD) rückten zunächst die Vorteile und Erfolge der drei vergangenen Jahrzehnte in den Vordergrund. Drei Millionen Jugendliche nutzten demnach das Angebot des deutsch-polnischen Jugendwerks zur Begegnung. Polen sei inzwischen Brandenburgs bedeutendster Handelspartner und »unser wichtigster Freund in Europa«, sagte Woidke. Er dankte dem einstigen Kanzler Helmut Kohl (CDU), der mit dem Abschluss des Grenzvertrages und der Anerkennung der Oder-Neiße-Staatsgrenze diese Entwicklung erst möglich gemacht habe. Zwar habe man in der DDR »beschönigend« von einer Friedensgrenze gesprochen, doch seien sich die beiden Völker damals eher fremd geblieben, behauptete Woidke. In den 80er Jahren sei es mit dem visumfreien Besuchsverkehr wieder vorbei gewesen, es habe sogar der Einmarsch des Warschauer Vertrages in Polen gedroht.
Davon, dass der Vertrag von 1990 auf den Görlitzer Verträgen von 1950 basierte, abgeschlossen zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen, redete niemand, genauso wenig davon, dass die Bundesrepublik jahrzehntelang mit Gebietsforderungen an Polen das politische Klima in Europa vergiftet hatte. Noch 15 Jahre nach der Wende musste beim Polnisch-Unterricht auf DDR-Schulbücher zurückgegriffen werden, weil es keine anderen gab.
Woidke mahnte, es müsse endlich eine zentrale Erinnerungsstätte an die deutschen Verbrechen an der polnischen Bevölkerung geben. Insgesamt aber, zeigte er sich sicher, »haben wir viel mehr erreicht, als wir damals zu hoffen gewagt hatten«.
Das sah der polnische Botschafter Andrzej Przylebski anders. Er erkannte zwar an, dass einzig in Brandenburg eine derartige Feier durchgeführt werde, forderte aber, den Polnisch-Unterricht in Deutschland, wo zwei Millionen Polen leben, energischer finanziell zu unterstützen und zumindest einen Teil der Immobilen zurückzugeben, die in der Nazizeit dem Bund der Polen in Deutschland weggenommen worden seien.
Przylebski vermittelte danach umfassend das heute in Polen herrschende Welt- und Geschichtsbild. Demzufolge war Polen »der größte Verlierer des Zweiten Weltkriegs«, eines Krieges, der am 8. Mai 1945 keineswegs beendet gewesen sei. 1963 erst sei der letzte antikommunistische Partisan in Polen umgekommen. 1990 seien 60 Jahre »Versklavung« zu Ende gegangen, die die polnische Gesellschaft deformieren, aber nicht brechen konnten. An dem Vertrag, der hier gefeiert wurde, war dem Botschafter wichtig, dass darin Polen »seine Zugehörigkeit zu Westeuropa« erklären konnte. Seit 1999 sei Polen Mitglied der Nato, in Przylebskis Verständnis ein Militärbündnis, das »den dritten Weltkrieg verhindert« habe. Der Beitritt zur EU im Jahr 2004 habe für Polen einen »beispiellosen Zivilisationssprung« bewirkt, in seiner Bedeutung als Handelspartner für Deutschland habe es die USA, Frankreich und Italien hinter sich gelassen.
Przylebski lobte die Absicht Brandenburgs, die Freundschaft zu Polen in die Verfassung zu schreiben, was eine »enorme Verpflichtung« sei. »Von Freunden wird mehr verlangt als von gewöhnlichen Nachbarn.«
Die heutige Innenpolitik Polens erklärte der Botschafter als Auseinandersetzung mit der »postkommunistischen Elite«, zu der er auch Richter zählte. Dies werde in Deutschland von Zeitungen und Rundfunk in der Regel falsch dargestellt. Solche Quellen würden keine tiefere Einsicht darin besitzen, »was wirklich vor sich geht«. Er rief dazu auf, antipolnische Klischees zu überwinden, wonach Polen ein »nahezu totalitäres Land« sei, in dem Gesetzlosigkeit herrsche und man die Demokratie im Untergang erleben könne. Dies sei »weit entfernt von jeder Wahrhaftigkeit«.
In der späteren Debatte nahm der Abgeordnete Christian Görke (Linke) den Rundfunk gegen diese Vorwürfe in Schutz. Für die CDU sagte die Abgeordnete und Ex-Justizministerin Barbara Richstein dem Botschafter: »Wir haben andere Ansichten, was Ihr Justizsystem betrifft.« Heiner Klemp (Grüne) nannte die Darstellung des Botschafters »schwer erträglich«. Er warf der Regierung in Warschau vor, ein »Klima des Hasses gegen Minderheiten« zu schüren. Was dort als Justizreform gelte, sei mit der freiheitlichen Demokratie nicht vereinbar.
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