Nâzım Hikmet
Gedichte aus dem Gefängnis
Als der türkische Dichter, Dramatiker und Szenarist Nâzım Hikmet 1938 wegen »kommunistischer Betätigung« und »Anstiftung zur Meuterei« im sogenannten Flottenprozess zu 28 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, dauerte es noch exakt einen Monat, bis durch das Münchner Abkommen die Tschechoslowakei Hitler zum Fraß vorgeworfen wurde. Als deutsche Panzer Polen überrollten, saß er im Zuchthaus von Istanbul. Als die Sowjetunion überfallen wurde, übersetzte er im Gefängnis von Bursa zusammen mit einem Mitgefangenen Tolstois »Krieg und Frieden«. Als Nazideutschland kapitulierte, dauerte es noch fünf Jahre, bis er nach weltweiten Protesten durch eine Amnestie freikam und schließlich 1951 in die Sowjetunion floh.
Das Gedicht vom Teufel und Pfarrer schrieb er am 12. September 1941, die Nachschrift am 17. Februar 1946. In der Türkei wurde dieser Krieg äußerst aufmerksam verfolgt. Als Verbündeter von Kaiser Wilhelm II. gehörte das Osmanische Reich zu den Verlierern des Ersten Weltkriegs. Die Republik Türkei wahrte außenpolitische Neutralität. Dennoch hegten einflussreiche Kreise große Sympathien für das faschistische Deutschland; die pantürkistische Bewegung für das »Großtürkentum« war im Aufwind. Deutsche Geheimdienste und Ribbentrops Außenministerium drängten auf eine Südfront unter türkischer Beteiligung für die »Befreiung der türkischen Stämme vom Sowjetjoch«. Doch die Türkei fürchtete ein zweites Debakel.
Gleichzeitig gab es, nicht nur unter Linken, ein wohlwollendes Interesse an Sowjetrussland, das als Gegengewicht zu den Kolonialmächten erkannt wurde. Hikmet selbst hatte 1921 in Moskau studiert, seine künstlerische Prägung durch Wladimir Majakowski und Wsewolod Meyerhold erhalten. In seinen letzten Lebensjahren bis zu seinem Tod 1963 wurde ihm Moskau eine zweite Heimat.
Das Gedicht ist dem Band »Die Luft ist schwer wie Blei« entnommen, der dreibändigen Hikmet-Werkausgabe aus dem Dağyeli-Verlag, Berlin 2014. Dort erschien neben Büchern zur Türkei und Zentralasien auch eine Studie zu Hikmets Leben und Werk. Der Verfasser dieser Zeilen ist der Verleger.
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