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Gute Zeiten, schlechte Zeiten
30 Jahre Linksfraktion im Landtag - nicht in jeder Hinsicht ein Grund zum Feiern
Von hinten schleicht sich Detlef Janson an Pete Heuer an und kickt ihm in die Kniekehlen, sodass der sich vor Schreck an seinem Bier verschluckt. »Mensch Detlef, du hast dich nicht geändert!«, beschwert Heuer sich schmunzelnd.
30 Jahre Linksfraktion in Brandenburg werden am Dienstagabend etwas verspätet in der Stadt Teltow (Potsdam-Mittelmark) gefeiert. Denn es ist ja nun schon fast 31 Jahre her, dass die PDS nach der Wahl vom 14. Oktober 1990 in den Landtag einzog. Zum Empfang sind etliche ehemalige Abgeordnete in den schön am Teltowkanal gelegenen Garten des Ginn-Hotels gekommen, darunter bis auf den 2013 verstorbenen Lothar Bisky und Kerstin Kaiser, die inzwischen in Moskau lebt, alle ehemaligen Fraktionsvorsitzenden. Auch einstige Mitarbeiter wie Detlef Janson und Pete Heuer sind dort. Das Wort Genosse trifft auf Heuer weiterhin zu. Allerdings ist der ehemalige Referent der Fraktion inzwischen Genosse bei den Sozialdemokraten. Deswegen bemerken einige alte Weggefährten verblüfft: »Dass der sich hertraut!«
Abgeordnete der ersten Stunde sehen sich in Teltow wieder: Heinz Vietze, Gerlinde Stobrawa, Stefan Ludwig. Es war eine schwere Zeit damals für die Partei. Die PDS war »das Schmuddelkind des Parteiensystems«, erinnert der aktuelle Linksfraktionschef Sebastian Walter, der mit 31 Jahren ungefähr so alt ist wie die Fraktion. PDS-Politiker seien auf Marktplätzen ausgebuht, beschimpft und angespuckt worden - »oder Schlimmeres«. Zur Erheiterung zitiert Walter aus alten Sitzungsprotokollen, die zeigen, dass früher nicht alles besser war, sondern einige Probleme und Debatten die Partei schon lange begleiten. Demnach sagte Fraktionschef Lothar Bisky Anfang der 90er, man habe die SPD mit Anträgen zwar schon schön geärgert, es fehle aber noch eine Strategie. Und Fraktionsgeschäftsführer Heinz Vietze formulierte Thesen zur Lage der Partei, in denen es heißt, die PDS könnte berechenbarer sein. Es gebe in ihr leider zu viele unterschiedliche Meinungen.
In einem eingespielten Video kommen die früheren Fraktionschefs zu Wort. »Da habe ich sicherlich auch Fehler gemacht«, räumt Ex-Fraktionschef Christian Görke ein. Trotzdem wolle er die Zeit nicht missen. Margitta Mächtig erklärt mit Blick auf die jüngere Generation zuversichtlich: »Wenn sie nicht vergessen, nah bei den Menschen zu sein, wird die Linke auch wieder stärker werden.«
Unter Lothar Bisky und Dagmar Enkelmann ging es von 13,4 Prozent bei der Landtagswahl 1990 stetig hinauf zum Rekordergebnis von 28 Prozent im Jahr 2004. Nach 27,2 Prozent unter Kerstin Kaiser 2009 gab es dann zehn Jahre Rot-Rot und in zwei Schritten den Absturz bis auf 10,7 Prozent. Seit 2019 ist die Linke nicht mehr in der Regierung. Aber Fraktionschef Walter kann sich mit einem sehr alten Wahlplakat trösten, das in seinem Büro hängt. Darauf steht der Slogan »Veränderung beginnt mit Opposition«.
Nur in der Regierung erlebte die ehemalige DGB-Landesbezirkschefin Doro Zinke Brandenburgs Linke und empfand den Umgang mit ihr als »anstrengend«, wie sie nun im Hotelgarten verrät. Bei dieser Kritik belässt sie es nicht. Sie fragt zum Beispiel ironisch: »Macht die Befreiung der Arbeiterklasse die Arbeiterklasse selbst, oder macht das jemand, der es besser weiß?« Außerdem rät Zinke: Sollte die Linke irgendwann einmal wieder den Wirtschaftsminister stellen, sollte sich dieser von den Gewerkschaften beraten lassen und nicht von den Industrie- und Handelskammern. Jedem Zuhörer ist klar: Das ist auf den anwesenden Ralf Christoffers gemünzt.
Vielleicht hätte Fraktionschef Walter lieber Doro Zinke erinnern sollen: »Zu Geburtstagskindern ist man freundlich.« Stattdessen hat er Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) gebeten, dies nicht zu vergessen. Die wünscht sich etwas, das Oppositionsparteien gern hören: dass sachlich fundierte Anträge im Landtag beschlossen werden - egal, ob sie von der Koalition oder von der Opposition kommen. »Die Bürger verstehen unsere Rituale nicht«, mahnt Liedtke. Aber diese altbekannten parlamentarischen Spielchen gibt es nun schon lange auch in Brandenburg. Im ersten Landtag war der Umgang miteinander noch anders.
Nach Stunden, als Liedtke schon längst wieder gegangen ist, kommt noch eine größere Abordnung der SPD mit Fraktionschef Erik Stohn und Bildungsministerin Britta Ernst vorbei. Sie haben Kuchen mitgebracht - aber keinen Haushalt, wie Linksfraktionschef Walter frotzelt. Der Entwurf für den Landeshaushalt 2022 verzögert sich.
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