Ruhm oder Liebe?

Für Weltfußballer Robert Lewandowski ist die EM vorbei. Die polnische Auswahl war wieder zu schwach

Er macht es den Polen nicht leicht, ihr Superstar Robert Lewandowski. Sollen sie ihn nun endlich von Herzen mögen oder soll es weiterhin beim Bestaunen, Bewundern und einem gewissen Stolz auf den ersten Weltfußballer polnischer Herkunft bleiben? Stolz auf einen Multimillionär, der sich zum einen als bodenständiger Familienmensch präsentiert, zum anderen aber derart von sich überzeugt ist, dass er seine Bachelorarbeit für die Sporthochschule Warschau gleich mal über sich selbst schrieb, 2017, unter dem Titel »RL9. Der Weg zum Ruhm«? Der selbst so wunderbar mit dem Ball umzugehen weiß, andererseits aber als Teamkapitän bei der WM vor drei Jahren die Gründe für das Ausscheiden in der Gruppenphase in den mangelhaften Fertigkeiten seiner Kollegen begründet sah und durch die Blume mitteilte, er könne eben auch nicht aus Scheiße Bonbons machen?

Die EM 2021 war eigentlich die perfekte Gelegenheit für Lewandowski, sich endlich in die Herzen seiner Landsleute zu spielen: Der 32-Jährige Bayern-Stürmer steht auf dem Zenit seiner Laufbahn, er hat in der deutschen Bundesliga unglaubliche 41 Tore erzielt: »Lewy«, so nennen ihn seine Bayern-Mitspieler, ist erfahren, topfit und treffsicherer als je zuvor. Beim umjubelten 1:1 gegen Spanien war es natürlich er, Polens Rekordtorschütze (jetzt 68 Treffer in 122 Länderspielen), der den Elfmeter verwandelte. Er hielt Polens Turnierhoffnungen wach, nachdem es zum Auftakt eine Niederlage gegen die Slowakei gegeben hatte.

Doch auch 2021 fremdelte er mit seiner Nationalelf: Als am Mittwochabend in der St. Petersburger EM-Arena der Schlusspfiff ertönte, war klar, dass er kaum Sympathiepunkte in der Heimat hatte sammeln können, trotz allen Bemühens: Wieder war der Bundesliga-Rekordtorschütze in der Nationalmannschaft von der ersten bis zur letzten Spielminute zu den lautstarken »Polska, Polska!«-Rufen auf und ab gerannt. Wieder hatte er höchstpersönlich die Treffer erzielt. Allein seiner Genialität war der zwischenzeitliche Ausgleich gegen die sehr effektiv konternden Schweden zu verdanken - und das just, als nach dem 0:2-Rückstand einige Mitspieler schon die Köpfe hängen lassen wollten. Am Ende indes half auch die Durchschlagkraft des Wunderstürmers nichts: 2:3 unterlagen die »Bialo-Czerwonny« den »Tre Kronors«. Polen trat als Gruppenletzter die Heimreise an, während die Schweden den Gruppensieg holten und nun am Dienstag in Glasgow gegen die Ukraine um den Einzug ins Viertelfinale spielen dürfen.

Lewandowski stand nach dem Abpfiff am Mittwoch nur kurz noch auf dem Rasen, bedankte sich pflichtschuldig bei den Fans, dann begab er sich zum Spielertunnel, um den Reportern zu erklären, wieso es mal wieder nicht geklappt hatte. »Ich hatte nicht die Fähigkeiten, dieses Spiel zu gewinnen und im Turnier zu bleiben«, befand Lewandowski. »Und natürlich sind wir traurig und enttäuscht. Vielleicht hat uns die Qualität gefehlt«, deutete er an, merkte aber schnell, dass er diesen Satz so besser nicht stehen lassen sollte: »Die Jungs haben alles gegeben!«

Tatsächlich aber lag das Niveau seiner Mitspieler in der polnischen Auswahl auch diesmal weit unter dem, was Lewandowski aus seinem Verein kennt. Es war der Unterschied zwischen Wollen und Können, der wohl auch Polens portugiesischem Trainer Paulo Sousa bewusst war, als er die polnische Taktik ganz und gar auf Lewandowski zugeschnitten hatte: Fast alle Spielzüge liefen auf ein Zuspiel auf den berühmten Stoßstürmer hinaus. Das machte den Schweden das Verteidigen leicht, zumal sie idealerweise bereits in der 2. Minute durch einen schönen Flachschuss des Leipzigers Emil Forsberg in Führung gegangen waren und fortan auf Konter lauern konnten - in einer Hitzeschlacht bei 32 Grad, für die nach jeweils 25 Minuten jeder Halbzeit kurze Abkühlungspausen eingelegt wurden.

Es war anstrengend, aber machbar für die Schweden. All die hohen Bälle auf Lewandowski pflückten sie aus der Luft, und wenn es trotzdem mal brenzlig wurde, gesellten sich vorzugsweise zwei Defensivkräfte zu Monsieur Weltfußballer. Es sah nicht immer schön aus, wie sich die Schweden um den Strafraum aufstellten, aber souverän. Als Forsberg in der 59. Minute zum 2:0 getroffen hatte, wähnten sich die Schweden schon in Sicherheit, da kam Lewandowski und führte die polnische Auswahl noch einmal heran - als Doppeltorschütze in der 61. und 84. Minute hin zum 2:2.

In einer stürmischen Schlussviertelstunde drängte Polen mit wütenden Angriffen auf den Siegtreffer, indes fehlte am Ende die spielerische Klasse. Die Schweden waren beeindruckt, wie Verteidiger Mikael Lustig später einräumte: »Polen hat uns in den letzten 15 Minuten schwindelig gespielt. Wir haben 2:0 geführt und dachten, das Spiel wäre vorbei. Aber Lewandowski ist Weltklasse.« Doch die Skandinavier behielten kühle Köpfe, und als sich in der vierten Minute der Nachspielzeit endlich die Gelegenheit bot, vollendete Viktor Claesson einen Konter zum 3:2.

Wer gewinnt, hat im Fußball immer Recht gehabt: So wurde statt des überragenden polnischen Doppeltorschützen Lewandowski der Doppeltorschütze Forsberg zum »Spieler des Tages« erkoren. Robert Lewandowski bilanzierte, mit drei Toren sei die EM für ihn persönlich eigentlich sein erfolgreichstes Turnier gewesen: »Aber ich würde die Tore sofort hergeben, wenn wir stattdessen im Halbfinale stünden.« Er muss nun auf die Wüsten-WM im Dezember des kommenden Jahres hoffen, um dort vielleicht doch noch seine Nationalmannschaftskarriere zu vervollkommnen.

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