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  • Berlin
  • Arbeitskampf bei Lieferdienst

Gorillas muss liefern

Beschäftigte des Bringdienstes konfrontieren den Geschäftsführer mit Missständen

  • Philip Blees
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Montagmittag ist es noch ruhig vor der Zentrale des Lieferdienstes Gorillas an der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg. Vereinzelt verlassen junge, hippe Mitarbeiter*innen das unscheinbare Gebäude. Einige von ihnen tragen Shirts mit dem Firmenlogo, es ist Zeit für die Mittagspause. Doch plötzlich stören eine Handvoll Personen das ruhige Bild: Sie tragen ein Transparent mit der Aufschrift »Get Off Your Bike and Pay Us« (Runter vom Fahrrad und bezahl uns!) und rufen zum Streik auf. Die Arbeiter*innen sind hier, um den Protest gegen die Arbeitsbedingungen bei dem Start-up, der zuletzt in Blockaden der Warenlager gipfelte, zum Management des Unternehmens zu bringen.

Auslöser für den erneut aufflammenden Arbeitskampf sind ausstehende Lohnzahlungen, aber auch andere Missstände. Seit den Blockaden vor zwei Wochen sei nichts Konkretes geschehen, heißt es. Jetzt, gegen Ende des Monats, hätten einige Beschäftigte für die vergangenen Monate zu wenig Lohn ausgezahlt bekommen, wird in Reden und Flugblättern auf der Kundgebung erklärt. Grund dafür wären Krankzeiten gewesen, die vom Unternehmen nicht bezahlt werden. Die Beschäftigten kritisieren auch, dass Gorillas in manchen Fällen nur die Lieferzeiten, nicht aber die tatsächliche Arbeitszeit inklusive der Wartezeiten bezahlen würde. Sie nennen das »offensichtlichen Lohndiebstahl«.

Auch soll Gorillas - wie schon im Winter - die wetterbedingten Schwierigkeiten der Rider, also der Kuriere, nicht berücksichtigt haben. »Im Winter hatten wir keine Winterjacken, jetzt haben wir keine Klimaanlagen in den Warenhäusern«, berichtet eine Mitarbeiterin. Generell sei die Ausrüstung mangelhaft. Viele Rider beklagen Rückenschmerzen durch überfüllte Rucksäcke und Probleme wegen technisch mangelhafter Fahrräder.

Das Management von Gorillas reagiert in gewohnter Start-up-Mentalität auf die Vorwürfe. Man verstehe sich als Rider-Unternehmen, sagt das Unternehmen auf nd-Anfrage. Der familiäre Charakter wird auch von Geschäftsführer Kağan Sümer hoch gehalten. Doch an diesem Tag kommt auch er damit ins Schwitzen. Als er sich dem Protest stellt, wird er von den Beschäftigten mit den schlechten Arbeitsbedingungen konfrontiert. Daraufhin lobt Sümer den Elan der protestierenden Beschäftigten. So kühn zu sein wie sie, sei Teil der Unternehmensphilosophie. »Wir müssen diese Gespräche weiterführen«, fügt er hinzu. Lieber sollen diese allerdings intern geführt werden. Gorillas sei ein Traum, alle Probleme zu lösen, sei Teil seiner Verwirklichung.

Den Beschäftigten imponiert dieser Auftritt wenig, sie buhen Sümer aus. Gerechte Bezahlung sei kein Traum, sondern ein Recht, ruft ein Beschäftigter. Andere wollen konkrete Ansagen zu den Lohnzahlungen. Einer der Kuriere zeigt dem Chef seine Verletzungen von einem Radunfall während der Arbeit. In der Luft liegt der Frust, der sich anscheinend schon lange angestaut hat.

Der Streik als Stock in den Speichen - Arbeitskämpfe lassen nicht nur den Lack vom Startup Gorillas abplatzen

Beschwichtigen kann Sümer diesen nicht. In den kommenden Wochen möchte er in 40 Warenhäusern des mittlerweile in ganz Europa operierenden Unternehmens Schichten von je drei Stunden übernehmen und so den Arbeitsalltag besser kennenlernen. »Ich bin ein Rider von Herzen«, sagt er und kündigt Verbesserungen der Arbeitsbedingungen an. Die Beschäftigten können darüber nur lachen. »Runter vom Fahrrad und bezahl uns!«, rufen sie und kündigen an: »Wir machen so lange weiter, bis ihr liefert.«

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