Ein Krieg, den man Friedenseinsatz nannte

Je auswegloser die Lage, umso tiefer verstrickte sich die Nato in das Morden am Hindukusch

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Am 11. September 2001 verübten islamistische Terroristen bis dahin für undenkbar gehaltene Anschläge auf die USA. Mit Hilfe von Passagierflugzeugen ermordeten sie über 3000 Menschen. Die Nato erklärte den Bündnisfall, die rot-grüne Regierung in Deutschland ihre uneingeschränkte Solidarität mit den USA. Der Uno-Sicherheitsrat verabschiedete eine umfassende Resolution zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Die USA schmiedeten eine internationale Anti-Terror-Koalition.

Am 7. Oktober 2001 begann deren »Operation Enduring Freedom« (OEF) in vier Regionen der Welt: am Horn von Afrika, auf den Philippinen und in Afrika innerhalb und südlich der Sahara. Hauptangriffsziel war jedoch Afghanistan. Die dortige islamistische Taliban-Regierung gehörte zu den Unterstützern der Terrorgruppierung Al Qaida, die von den USA für die Angriffe vom 11. September verantwortlich gemacht wurden.

Nach der Eroberung der Hauptstadt Kabul am 13. November 2001 gelang es US- und britischen Bodentruppen, unterstützt von Mujahedin-Milizen der sogenannten Nordallianz, die Taliban zurückzudrängen.

Schon im Dezember 2001 schuf man die internationale Schutztruppe für Afghanistan (ISAF). An dieser sogenannten Sicherheits- und Wiederaufbaumission unter Führung der Nato stellte die Bundeswehr nach den USA die größte Streitmacht. Bis zu 5000 deutsche Soldatinnen und Soldaten schickte man in den Krieg, der daheim über viele Jahre hinweg offiziell nie Krieg genannt werden sollte. Der SPD-Verteidigungsminister Peter Struck gab stattdessen die Losung aus, Deutschlands Sicherheit werde am Hindukusch verteidigt.

Gestützt auf technische und strategische Überlegenheit der ISAF hatte sich 2002 eine Übergangsregierung unter Hamid Karzai etabliert, im Oktober 2004 wurde er in den von den Taliban befreiten Gebieten zum Präsidenten gewählt. Doch weder diese noch folgende Zentralregierungen hatten die notwendige Autorität oder Erfolge.

Obwohl sie ihre eigenen Truppen permanent verstärkten, gelang es den USA und deren Verbündeten nicht, die Taliban zu besiegen, das Land zu befrieden und eine Demokratie nach westlichem Muster aufzubauen. Auch das Hinrichtungskommando gegen den Al-Qaida-Chef Osama bin Laden im Jahr 2011 in Pakistan brachte keine Erleichterung. Bereits 2009 hatte der damalige US-Präsident Barack Obama einen Rückzug geplant, der 2011 abgeschlossen werden sollte. Mehrfach gab es Geberkonferenzen, die vor allem im Westen Mittel für den zivilen Aufbau Afghanistans eintreiben sollten.

All Bemühungen scheiterten. Weil es dem Westen nie gelang, eine tragfähige, vor allem zivile Strategie für Afghanistan zu entwickeln, endete die ISAF-Kampfmission der Nato nach dreizehn Jahren. Als Ersatz kreierte man die Mission »Resolute Support«. Rund 12 000 Nato-Militärs sollten die afghanischen Sicherheitskräfte ausbilden, beraten und unterstützen, so dass die zur selbstständigen Bekämpfung der Regierungsgegner in der Lage sind. Auch das erwies sich als Illusion. Dass die USA unter Präsident Donald Trump mit den Taliban über eine Abzugslösung verhandelten, ohne die Regierung in Kabul und die Nato-Verbündeten einzubeziehen, komplizierte die Situation.

Aus den Augen, aus dem Sinn. Der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan ist offiziell beendet. Ortskräfte sind weiterhin gefährdet

Die deutschen Steuerzahler haben für die Beteiligung der Bundeswehr an dem Militäreinsatz in Afghanistan bislang rund 12,5 Milliarden Euro aufgewendet. Kaum bezifferbar ist die katastrophale Bilanz für die nun schutzlos zurückgelassene Zivilgesellschaft. Internationale Menschenrechtsorganisationen schätzen die Zahl der Toten in Afghanistan und Pakistan auf mindestens eine Viertelmillion. Es gibt weit mehr Verletzte an Leib und Seele sowie Millionen Flüchtlinge im Land und außerhalb. Der über zwei Jahrzehnte andauernde »Krieg gegen den Terror« sorgte dafür, dass sich die Zahl der militanten islamistischen Organisationen und die der Kämpfer weltweit vervielfachten.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -