- Politik
- »Global Tax«
Weltweite Mini-Steuer
130 Länder unterstützen das OECD-Konzept einer »Global Tax« für Konzerne
Weltweit tätige Konzerne müssen sich auf eine schärfere Besteuerung einstellen. Eine neue »Global Tax« samt Mindestgewinnsteuer von 15 Prozent soll ab 2023 für hohe Mehreinnahmen der Staaten sorgen. Wie die Industriestaatenorganisation OECD am späten Donnerstag mitteilte, stimmten 130 von 139 Ländern dem Kompromiss zu. Zudem soll zukünftig bei Digitalkonzernen ein Teil der Besteuerungsrechte auf die sogenannten Marktstaaten übergehen.
Ein wichtiger erster Schritt, loben Organisationen wie Attac. Damit breche die OECD mit dem neoliberalen Motto, Steuersenkungen für Unternehmen förderten Wachstum und Wohlstand. Auch der deutsche Industrieverband BDI lobt: »Es ist gut, dass nun ein Riegel vorgeschoben wird, Gewinne in Niedrigsteuerländer zu verlagern.«
Die Mindeststeuer richtet sich gegen Länder, in denen Konzerne viele Geschäfte machen, aber kaum Steuern zahlen. Viele Konzerne tun dies seit Langem, auch deutsche. So zahlen sie meist deutlich weniger Steuern als Mittelständler. Die Reform könnte daher auch Bayer, Deutsche Bank oder VW treffen.
Die Verlagerung von Gewinnen kostet die Regierungen bis zu 240 Milliarden Dollar im Jahr an Körperschaftsteuern, schätzt die OECD. Eine Mindeststeuer von 15 Prozent könnte jährlich etwa 150 Milliarden US-Dollar an zusätzlichen Steuereinnahmen weltweit generieren.
US-Präsident Joe Biden, der sich anders als Vorgänger Donald Trump für eine Mindeststeuer einsetzt, begrüßte die Entscheidung: »Multinationale Unternehmen werden nicht länger in der Lage sein, Länder gegeneinander auszuspielen und ihre Gewinne auf Kosten der öffentlichen Einnahmen zu schützen.« Bundesfinanzminister Olaf Scholz kündigte ein Ende des Wettrennens um die niedrigsten Steuersätze an: »Es ist wirklich ein riesiger Durchbruch und wird alles verändern.«
Der Einigung waren zehnjährige Verhandlungen vorausgegangen. Anfang Juni hatten sich die G7-Staaten auf die von der OECD entwickelte Reform grundsätzlich geeinigt. Kommende Woche wollen die Finanzminister der 20 großen Industrie- und Schwellenländer den Kompromiss bei ihrem Treffen in Venedig absegnen. Im Oktober sollen dann letzte Details geklärt werden.
Doch hier liegt die Krux: So bleibt umstritten, wie die Bemessungsgrundlage berechnet wird, auf der dann 15 Prozent Steuern fällig werden. Bei der Gewinnermittlung hat jedes Land eigene Regeln. Neun Länder, darunter EU-Mitglied Irland, verweigern sich bislang sogar ganz; in der Hauptstadt Dublin haben etwa Google und Amazon ihre Europazentralen. Großbritannien dringt wegen seiner Finanzmetropole London zudem auf eine Sonderregelung für Banken. Diese müssten in jedem Land, in dem sie tätig sind, separat Eigenkapital vorhalten und melden entsprechende Gewinne dort, argumentiert der britische Finanzminister Rishi Sunak.
Auf einen anderen Aspekt weist das Forschungsinstitut ZEW in Mannheim hin. Eine einheitliche Mindeststeuer könnte Steueranreizen zur Förderung von Innovationen und neuen Klima-Technologien entgegenwirken. »Diesbezüglich muss sicherlich nachjustiert werden«, heißt es in einer Mitteilung.
Klar ist bereits, dass die Mini-Steuer - in Deutschland zahlen Unternehmen etwa 30 Prozent Steuern auf ihre Gewinne - die Löcher in der Kasse des Bundes nicht stopfen wird. Von Mehreinnahmen von 700 Millionen Euro pro Jahr ist die Rede. Der OECD-Ansatz konzentriert sich nur auf die größten Unternehmen, laut ZEW wären in Deutschland nicht einmal zehn Konzerne betroffen.
Kritisch äußerte sich der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Fabio De Masi: Er bemängelt, dass 15 Prozent sehr niedrig angesetzt seien. Auch Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire hätte sich einen höheren Steuersatz erhofft.
Die Sache mit der Fairness - Kurt Stenger über die Einigung zur globalen Mindeststeuer
Aber selbst in der EU gibt es Staaten, die Konzerne mit noch niedrigeren Sätzen locken, wie Luxemburg, die Niederlande oder Irland. Einwände haben auch wirtschaftlich schwächere Länder in Osteuropa und Asien, die mit niedrigen Steuersätzen und niedrigen Löhnen im Konkurrenzkampf mit technisch überlegenen Giganten wie Deutschland bestehen wollen. Experten halten daher die Durchsetzung eines höheren Steuersatzes für unrealistisch. Das gilt auch für den Vorschlag der Weltbank, Profiteure der Coronakrise mit einer Sondersteuer zu belegen, oder für die Forderung von Attac, auf Geschäfte in Finanzoasen eine Quellensteuer zu erheben.
Bis die globale Mindeststeuer Realität wird, ist es ohnehin noch ein langer Weg: Jedes der 130 Länder muss den OECD-Plan erst in seine Gesetzgebung einbauen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.