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Allianz ohne AfD

16 rechtspopulistische bis rechtsradikale Parteien aus der ganzen EU wollen ein Bündnis eingehen

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Versuche einer geeinten europäischen Rechten im EU-Parlament sind so alt wie diese europäische Institution selbst. Gespräche dazu gab es in jeder Wahlperiode, geklappt hat es mit einer großen Koalition aber nie. Zu unterschiedlich scheinen die Interessen, zu gegensätzlich die Positionen etwa in der Wirtschaftspolitik oder was das Verhältnis zu Russland angeht. Geändert hat sich an diesen inhaltlichen Gräben wenig. Wohl aber hat sich mit Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán ein Politiker gefunden, der meint, diese Kluft überbrücken zu können.

Am Freitag überraschten gleich 16 rechtspopulistische bis rechtsradikale Parteien aus ganz Europa die Öffentlichkeit mit einer Erklärung für ein Bündnis »gegen den EU-Zentralismus«. Ziel sei es, den massiven Fehlentwicklungen in der EU-Politik etwas entgegenzusetzen. Konkret gehe es darum, die Bedeutung nationalstaatlicher Kompetenzen zu stärken und einen angeblich drohenden europäischen »Superstaat« zu verhindern, der »die europäische Tradition zerstören« würde. Eine breite Allianz, der fast alle politischen Schwergewichte der europäischen Rechten angehören, hat das Papier unterschrieben, darunter neben Orbáns ungarischer Fidesz, die in Polen regierende PiS, die italienische Lega von Matteo Salvini, Frankreichs Rassemblement National (RN), der am Wochenende Parteichefin Marine Le Pen in ihrem Amt bestätigte, sowie neben der rechtsradikalen Vox aus Spanien auch die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ).

Letztere sprach in einer Mitteilung das Ziel hinter der Deklaration offen aus: Es gehe darum, ein Bündnis im Europäischen Parlament zu schließen. »Aus heutiger Sicht wäre eine solche Fraktion im EU-Parlament zweitstärkste Kraft - mit dem Ziel, Nummer eins bei den kommenden EU-Wahlen zu werden«, tönt FPÖ-Parteichef Herbert Kickl. Als ersten Schritt dazu soll es im September in Warschau eine Konferenz geben.

Eine prominente Partei, die dabei bis jetzt keine Rolle spielt, ist die AfD. Ihr Name fehlt unter der Deklaration. Dabei war es der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen selbst, der noch im Zuge der Europawahl 2019 davon träumte, mit der AfD als zentraler Akteurin ein Bündnis der europäischen radikalen Rechten aufzubauen. Im gleichen Jahr nahm Meuthen auf Einladung Salvinis an einem Treffen rechter Parteien in Mailand teil. Pläne in diese Richtung sind in der AfD allerdings älter. Bereits Meuthens Vorgängerin, die frühere Bundesvorsitzende Frauke Petry, ließ sich 2017 in Koblenz auf einem Kongress von führenden europäischen Rechtsaußen wie Le Pen, Salvini und dem Niederländer Geert Wilders feiern. Nun aber deutet einiges darauf hin, dass diese Köpfe eine neue Koalition ohne eine Beteiligung der AfD schmieden könnten.

Auf »nd«-Anfrage erklärt der Parteivorsitzende Meuthen, »die AfD unterstützt das Bündnis ausdrücklich«. Er gehe davon aus, dass seine Partei »in nicht ferner Zukunft dem Bündnis beitritt«. Offen lässt er den Zeitpunkt als auch die Gründe, warum die AfD die Deklaration noch nicht unterschrieben hat. Einer könnte die Bündnispolitik des ungarischen Ministerpräsidenten sein. Orbán, zugleich Fidesz-Parteichef, hat offenbar kein großes Interesse an einer Zusammenarbeit mit der AfD, wie die »Frankfurter Allgemeine« als auch die neurechte »Junge Freiheit« im März übereinstimmend berichteten.

Im Frühjahr war es zum endgültigen Bruch zwischen Fidesz und der konservativen Europäischen Volkspartei gekommen, der unter anderem die CDU angehört. Erst hatten die Ungarn die gemeinsame Fraktion im EU-Parlament verlassen, kurz darauf folgte der Austritt aus der EVP-Parteienfamilie. Seitdem ist Orbán auf der Suche nach neuen Partnern. Eine erste Vermutung, Fidesz könnte sich einer der beiden bereits bestehenden Rechtsaußenfraktionen im EU-Parlament anschließen, stellten sich schnell als falsch heraus. Die zwölf ungarischen Abgeordneten sind bis heute fraktionslos.

Europas radikale Rechte verteilt sich derzeit auf die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) und der Gruppe Identität und Demokratie (ID). Während in der EKR momentan die polnische PiS tonangebend ist, sind in der ID mit RN, Lega und den zehn AfD-Abgeordneten gleich drei politische Schwergewichte organisiert. Folgt auf die Deklaration vom Freitag irgendwann tatsächlich die Neugründung einer Fraktion, würde dies das Aus für EKR und ID bedeuten.

Als Sargnagel für die AfD auf europäischer Ebene könnte sich auch ihr Bundestagswahlprogramm herausstellen. In diesem fordert die Partei einen »Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union und die Gründung einer neuen europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft«. Die Forderung nach einem Dexit war auf dem Bundesparteitag im April heftig diskutiert und am Ende gegen den Widerstand von Parteichef Meuthen beschlossen worden.

Das Problem: Eine sich daraus fast zwangsläufig ergebende Zerschlagung der EU ist von den Rechtsaußenparteien, die hinter der neuen Deklaration stehen, gar nicht (mehr) gewollt. Stattdessen ist in der Erklärung von »einer weitgehenden Reform« der EU die Rede. Würde die AfD ihre Unterschrift unter das Papier setzen, stünde dies im Widerspruch zu ihrem Wahlprogramm.

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