- Politik
- Geplante Erweiterung des Flughafen Halle/Leipzig
Erfolg trotz harter Landung
Flughafengegner in Leipzig kündigen weitere Aktionen an - Kritik äußern sie gegenüber der Polizei
Peter Richter klingt neidisch. Er kämpft seit 17 Jahren mit einer Bürgerinitiative für ein Nachtflugverbot am Flughafen Leipzig, der seit dem Ausbau 2004 zum internationalen Frachtdrehkreuz mit Rund-um-die-Uhr-Betrieb wurde. Große mediale Aufmerksamkeit hat der Protest nie erreicht – anders als eine Sitzblockade, bei der 50 Aktivisten der Initiative »CancelLEJ« am Wochenende kurzzeitig eine Lkw-Zufahrt zum Airport blockierten. Die Aktion sorgte für Schlagzeilen. Richter zieht den Hut: »Ihr habt geschafft, was wir die ganze Zeit nicht geschafft haben.«
Auch die Initiative selbst sieht ihre Aktion als »großen Erfolg«. Man wolle die »Verkehrswende selbst in die Hand nehmen«, sagt Sprecherin Paula Vogel. Man trete für Klimagerechtigkeit ein. Das Fliegen sei aber »die klimaschädlichste und ungerechteste Art der Fortbewegung«, erklärt Lena Tucnak vom Bündnis »Am Boden bleiben«. Sie weist darauf hin, dass die EU in einem Programm zur Emissionsreduzierung zwar endlich Kerosin mit Energiesteuern belegen wolle. Frachtflüge sollten aber ausgenommen bleiben. Sie sind in der EU für zehn Prozent des Flugverkehrs verantwortlich – und in Leipzig für über 170 Flugbewegungen in jeder Nacht.
Das Bündnis will auf solche Fehlentwicklungen aufmerksam machen und klarstellen, dass »der Ausbau von Flughäfen in Zeiten der Klimakrise durch nichts zu rechtfertigen« sei, wie Vogel sagt. Am Freitag soll es dazu eine Demonstration mit dem Titel »Rückbau statt Ausbau« geben. Auch das Ende August stattfindende »Klimacamp Leipziger Land« werde dem Flughafen gewidmet sein.
Der mit der Blockade verbundene Erfolg ist freilich teuer erkauft. Dutzende Aktivisten verbrachten viele Stunden in Polizeigewahrsam. Sie berichten von unwürdigen Zuständen: Mangel an Essen und Getränken, verwehrte Telefonate, Diffamierungen durch Polizisten. Auch sei unter Zwang Blut abgenommen und mit U-Haft gedroht worden. Vogel spricht von einer »entsetzlichen Kriminalisierung« des Protestes. Das Leipziger Bündnis »COP Watch« kritisiert, die Polizei trete »als politischer Akteur auf« und gehe »offensichtlich über ihre Befugnisse hinaus«.
Indiz dafür ist nach Ansicht der Aktivisten auch eine Pressemitteilung der Polizei, in der sie begründete, warum die Demonstranten in Gewahrsam genommen wurden. Darin war von blockierten Lkw mit Impfstoff die Rede; zudem habe der Logistikkonzern DHL einen »Schaden im Millionenbereich« geltend gemacht. Die Feststellung der Identitäten habe der »Wahrung zivilrechtlicher Ansprüche« gedient. Dass ein Impfstofftransport behindert worden sei, erwies sich inzwischen als falsch. Zudem spricht DHL inzwischen nicht mehr von einem Millionenschaden, sondern von »Verzögerungen im Betriebsablauf mit lokal überschaubaren Folgen«. Der Anwalt und Grünen-Politiker Jürgen Kasek wirft der Polizei vor, eine »ungeprüfte« Angabe übernommen zu haben, und merkt an: »Jede Versammlung behindert irgend jemanden.« Als solche war die Blockade vom Landtagsabgeordneten Marco Böhme (Linke) angemeldet und von der Polizei auch ohne weitere Auflagen gestattet worden.
Die Protestaktion hat in Sachsen für heftige politische Kontroversen gesorgt. SPD-Landeschef Martin Dulig erklärte, Protest gehöre zur Demokratie: »Aber nicht so!« Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte, er »glaube, die Mehrzahl der Menschen in Sachsen würde sagen: Recht wäre, wenn die Blockierer den Millionenschaden bezahlen.« Dieser Appell an ein vermeintliches Volksempfinden sei »geschichtsvergessen«, sagte Kasek unter Hinweis auf die NS-Zeit. Auch Kretschmers Verurteilung von »Gewalt gegen Personen oder Sachen« stößt auf scharfe Kritik. Die Blockade sei ein »absolut friedliches Geschehen« gewesen, sagt Paula Vogel. Böhme verlangte von Kretschmer eine Entschuldigung »wegen Verunglimpfung friedlicher Proteste«. Die Angelegenheit belastet auch das Klima in Sachsens Koalition. Norman Volger, Landessprecher der Grünen, erklärte: »Wenn Polizei, Staatsanwaltschaft, SPD und CDU legitimen Protest gegen den Ausbau des Frachtflughafens Leipzig kriminalisieren, um private Interessen von Wirtschaftsunternehmen zu schützen, zeigt dies ein Demokratieverständnis, das dem einer Bananenrepublik gleicht.«
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