Pandemie bedroht Randgruppe

Minderheit der Traveller in Irland ist besonders stark von Corona-Infektionen betroffen

  • Dieter Reinisch
  • Lesedauer: 3 Min.

In Irland kündigt sich eine vierte Coronawelle an. Seit Anfang Juli steigen wieder die Infektionszahlen, unter den Neuinfizierten herrscht die ansteckendere Deltavariante vor. Laut einer Prognose des Gesundheitsministeriums könnte es im September täglich 1500 bis 2000 neue Fälle geben. Der die Regierung beratende irische Chef-Mediziner Tony Holohan erklärte bei der Veröffentlichung des Berichts: »Wir stehen am Beginn der vierten Welle, aufhalten können wir sie nicht mehr.«

Besonders von der Pandemie betroffen ist die Minderheit des »fahrenden Volkes«. In Irland wird diese Gruppe Traveller genannt. Laut einer Studie, die von ihrer lokalen Organisation Galway Traveller Movement (GTM) in Auftrag gegeben wurde, haben sich allein in der westlichen Grafschaft Galway im vergangenen Jahr etwa 1000 Traveller mit Corona infiziert. Im aktuellen Zensus von 2016 gaben in der Grafschaft 2647 Personen an, Teil der Traveller-Gemeinschaft zu sein. Somit war mehr als ein Drittel der Minderheit in Galway von Covid betroffen. Landesweit trifft das besonders auf die dritte Coronawelle zu, die in Irland ab Anfang Januar einsetzte. In dieser Zeit machten Traveller ein Drittel aller Covid-Intensivpatienten aus. Dabei zählen sich in der Republik Irland nur rund 33 000 Personen, also 0,7 Prozent der Bevölkerung, zur Traveller-Gemeinschaft.

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Die Traveller gehören zum ärmsten Teil der Bevölkerung und leben oft in Wohnwagensiedlungen an Stadträndern. Die Pandemie verschärft ihre Notlage noch weiter. Aufgrund hoher Arbeitslosigkeit und häufiger Tätigkeiten im informellen Sektor sind die Traveller oft nicht ausreichend gesundheitsversichert und können sich notwendige Behandlungen während der Pandemie nicht leisten. Zumeist leben mehrere Generationen auf engstem Raum zusammen, was Selbstisolation bei Infektionen unmöglich macht. In vielen Haushalten fehlt der Zugang zu Trinkwasser und Elektrizität.

Die Pandemie verschärfte auch die Ungleichheit im Bildungsbereich. Die Studie zeigt, dass während der ersten Welle im Frühjahr 2020 nur 41 Prozent der Traveller regelmäßigen Zugang zu digitalen Endgeräten und zum Internet hatten. Mehrere Familien gaben an, dass sich oft bis zu sieben Kinder ein Mobiltelefon teilten, mit dem sie ihre Schulaufgaben machen mussten.

Die Traveller entstanden als Volksgruppe während der Kolonialisierung Irlands, als durch den englischen Siedlerkolonialismus im 17. Jahrhundert Teile der Bevölkerung von ihren Ländereien vertrieben wurden und ein nomadisches Leben aufnahmen. Nach der Unabhängigkeit 1921 setzte staatliche Diskriminierung ein. 63 Prozent der Befragten gaben an, regelmäßig soziale Ausgrenzung und Rassismus zu erfahren.

Derweil geht es mit der Impfkampagne im Land gut voran. Etwa 42 Prozent der erwachsenen Bevölkerung sind bereits vollständig gegen Covid geimpft. Seit der vergangenen Woche werden Personen unter 40 Jahren mit Astra-Zeneca geimpft, und die Altersgruppe zwischen 32 und 35 kann sich für eine Impfung bereits registrieren. Um die Impfrate rasch in die Höhe zu treiben, kaufte Irland Anfang Juli, ausgerechnet von Rumänien, eine Million Impfdosen ein.

In anderen Bereichen ist die Regierung allerdings weniger zielstrebig. Die geplanten Öffnungen wurden vom 5. auf den 29. Juli verschoben. Viele Stadtteile der Hauptstadt Dublin gleichen immer noch einer Geisterstadt. Die meisten Geschäfte haben geschlossen, in Innenräumen von Pubs, Kaffeehäusern und Restaurants darf nicht konsumiert werden. Das liegt daran, dass Irland weder für die Einreise ins Land noch im Land selbst das EU-Impfzertifikat anerkennt. Für die eigenen Bürger soll es erst ab nächster Woche ausgestellt werden. Antigentests werden nicht verwendet und PCR-Tests von der Gesundheitskasse nicht bezahlt.

Entsprechend stark sind die Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft und das soziale Leben. Laut dem nationalen Statistikamt sank die coronabedingte Arbeitslosigkeit zwar im Jahresvergleich, liegt aber immer noch bei hohen 18,3 Prozent.

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