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Piks zum Mitnehmen
Neue Phase im Impfmanagement wird auf Lichtenberger Parkplatz eingeleitet
Es ist heiß, die Sonne knallt, und der Ikea-Parkplatz in Lichtenberg ist rappelvoll. Hunderte stehen stundenlang Schlange oder warten in ihren Autos, um sich hier gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Gegen 14 Uhr, drei Stunden nach Eröffnung des Impf-Drive- und Walk-ins, wird das Angebot eingestellt: Es sind bereits so viele Wartende da, dass weitere Menschen nicht mehr bis zum Feierabend der Einrichtung um 21 Uhr drankämen, würden sie sich jetzt noch anstellen. »Wir sind hier sechs Wochen lang jeden Tag von 11 bis 21 Uhr - kommen Sie bitte an einem anderen Tag wieder«, versucht ein Mitarbeiter vom Bezirksamt Lichtenberg die frustrierten Menschen zu besänftigen, die er abweisen muss. Am Nachmittag verschickt der Bezirk dann die Nachricht, dass am Sonntag das Angebot für Fußgänger*innen geschlossen bleibt, weil das Wetter zu heiß sei.
»Wir wussten, dass der Andrang groß sein würde, aber dass so viele schon hier sind, überrascht uns doch«, sagt Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke) kurz vor der Eröffnung des Impfangebots am Samstag. Denn bereits halb elf stehen viele Menschen in langen Schlangen auf dem Parkplatz, das Pkw-Aufkommen sorgt zugleich für ein Verkehrschaos.
Punkt 11 Uhr wird die erste Impfung im Drive-in vorgenommen. Hinter dem Steuer seines weißen Vans lässt sich Frank Liebchen piksen. »Die Impfung war total entspannt«, sagt der 57-jährige Tankstellentechniker aus Hellersdorf. Seit 7 Uhr morgens steht er schon in Lichtenberg und hat so Platz eins in der Warteschlange ergattert. »Ich bin die ganze Woche über auf Montage unterwegs, da ist es sehr schwierig, einen Impftermin auszumachen. Am Montag bin ich irgendwo in Rügen auf Arbeit«, sagt Liebchen.
Im Laufe des Tages wird die Hitze immer drückender - und die vielen Menschen in der Warteschlange genervter. Ikea-Mitarbeitende verkaufen an einem schnell aufgebauten Stand Essen und Trinken und verteilen Gutscheine an die Wartenden. Unterdessen trifft Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) ein und lässt sich die neue Impfeinrichtung zeigen. »Wir gehen jetzt in eine neue Phase des Impfmanagements über«, sagt sie. Der Impf-Drive-in und -Walk-in in Lichtenberg und die mobile Impfstation am Hermannplatz in Neukölln, seien ein Anfang, so die Gesundheitssenatorin. »Als der Impfstoff noch knapp war, war es wichtig, dass wir gezielt und streng nach Terminvergabe geimpft haben«, sagt Kalayci. Jetzt käme es aber darauf an, mit der Fülle an Impfstoff, der inzwischen zur Verfügung stehe, viele Berliner*innen schnell durchimpfen zu können.
»Am Impfstoff wird es nicht scheitern«, betont auch Bezirksbürgermeister Grunst. 2000 Impfdosen am Tag stellt die Senatsverwaltung für das Impfprojekt zur Verfügung, das vom Bezirk initiiert wurde. Auch das achtköpfige medizinische Team vor Ort wird vom Senat gestellt. Das kann allerdings nicht annährend so schnell impfen, wie es nötig wäre, um 2000 Menschen in den zehn Stunden, in denen die Impfeinrichtung täglich geöffnet ist, zu versorgen. 650 Menschen seien am Samstag bis 21 Uhr insgesamt geimpft worden, davon 450 mit Johnson & Johnson, so ein Bezirkspressesprecher gegenüber »nd«. Man müsse jetzt die Infrastruktur verbessern und das Personal aufstocken, sagt er.
Am Samstagnachmittag sind die Menschen in der Schlange zunehmend k. o. Insgesamt sind die Wartenden altersmäßig gemischt. Viele sind gekommen, weil die Termine in den Impfzentren und bei Hausärzten zu schnell ausgebucht sind. Für Angelika Priebe ist langsam das Ende der Schlange in Sicht. Die 77-Jährige wartet schon seit Stunden. »Es ist wichtig, nah am Wohnort einfache Impfangebote zu schaffen«, sagt sie zu »nd«. Sie wohnt in Marzahn-Hellersdorf. In ihrer Altersgruppe hätte sie eigentlich einen Termin im Impfzentrum bekommen müssen, aber zu der Zeit, als sie dran gewesen wäre, ging es ihr schlecht. Auch die 86-jährige Ursula Mummelthey hätte schon längst geimpft sein müssen, steht aber nun in der prallen Hitze in Lichtenberg. »Ich habe einfach keinen Brief zur Impfung bekommen«, sagt sie.
Bereits bei vorherigen Impfaktionen sei aufgefallen, dass einige Menschen, die in den ersten Prioritätengruppen hätten sein müssen, durch das Impfsystem durchgerutscht sind. »Es ist die Aufgabe des öffentlichen Gesundheitsdienstes, genau in diese Lücke reinzugehen«, so Grunst. Lichtenbergs Bürgermeister ist auch am Sonntag wieder vor Ort. »Die Stimmung ist viel entspannter, es stehen etwa 50 bis 60 Autos an, und unsere Abläufe haben sich verbessert«, sagt Grunst. Er vermutet, dass die Einrichtung am Samstag so überrannt wurde, weil die Menschen das Angebot für eine einmalige Aktion gehalten haben.
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