Selfie mit Neonazis

CDU-Politiker Philipp Amthor lässt sich mit Rechtsradikalen fotografieren

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Dutzendfach sei er an diesem Nachmittag um ein Foto gebeten worden, erklärt Philipp Amthor in einer Mitteilung. Den Hintergrund der »beiden Bürger« habe er nicht gekannt, behauptet der CDU-Politiker. Es sei ein »befremdliches Zeichen, eines völlig unsachlichen Wahlkampfes«, ihn nun in einen falschen Kontext rücken zu wollen. Allerdings räumt der Bundestagsabgeordnete in keiner seiner über die sozialen Netzwerke verbreiteten Erklärungen ein, dass es ein Fehler war, sich mit zwei Neonazis fotografieren zu lassen. Stattdessen behauptet er, es sei »allseits bekannt, dass ich im Bundestag wehrhaft gegen links- und rechtsextreme Gegner unseres Rechtsstaates kämpfe«. Dabei sind es zwei Nazis und keine Linken, die den 28-Jährigen in Erklärungsnot bringen.

Am Montag hatte die Antifaschistische Linke Bochum via Twitter ein Foto verbreitet, das Amthor gemeinsam mit jungen Männern zeigt. Entstanden ist die Aufnahme am Sonntag am Rande eines Reitturniers in Boock im Landkreis Vorpommern-Greifswald. Hier hat der CDU-Politiker seinen Wahlkreis, Termine wie dieser sind in diesen Wochen keine Ausnahme. Mindestens bei einem der Männer, die Amthor um ein gemeinsames Foto baten, hätte der Abgeordnete stutzig werden können.

Bei ihm handelt es sich um Thimo H., der aus seiner extrem rechten Gesinnung keinen Hehl macht. H. trägt Seitenscheitel, einen akkurat gestutzten Schnauzbart - und ein T-Shirt mit der Aufschrift »Solidarität mit Ursula Haverbeck« samt großformatigen Foto der 92-jährigen verurteilten Holocaustleugnerin. Amthor erklärte, ihm sei das Motiv nicht aufgefallen. Hätte er die T-Shirt-Aufschrift bemerkt, hätte er das »Foto natürlich nicht gemacht«, versichert er.

Zumindest über Thimo H., der das Foto mit Amthor auf seinem nicht öffentlich einsehbaren Instagram-Profil hochlud, ist nach »nd«-Recherchen einiges bekannt. H. soll im Umfeld der NPD-Nachwuchsorganisation »Junge Nationaldemokraten« aktiv sein. In der Vergangenheit fiel er mit Aktionen gegen Antifaschist*innen auf, erzählt die Linke-Lokalpolitikerin Sandra Grubert. 2019 hatte H. via Instagram Namen und Wohnorte junger Linker aus der Region veröffentlicht. Auch Gruberts Daten fanden sich auf der »Todesliste«, wie sie die Veröffentlichung nennt.

Alle betroffenen Personen waren damals im Umfeld der Linksjugend Mecklenburg-Vorpommern aktiv. Dieser Zeitung liegen Screenshots des Instagram-Profils von H. vor. »Besonders im Kontext dessen, dass damals die Todeslisten der Gruppe Nordkreuz ein Thema waren, haben wir uns große Sorgen gemacht«, sagt Grubert zu »nd«. Sie hat die Veröffentlichung zur Anzeige gebracht, doch die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg stellte das Ermittlungsverfahren gegen H. ein, wollte keine Straftat erkennen.

Amthor zieht sich darauf zurück, er habe die beiden Männer nicht gekannt und die T-Shirt-Aufschrift nicht bemerkt. Diese Ausrede lässt die Linke-Bundestagsabgeordnete Martina Renner nicht gelten. »Ein Innenpolitiker kann und muss Kenntnis über eine der bekanntesten Holocaustleugnerinnen haben.« Die Unwissenheit und/oder Gleichgültigkeit Amthors in diesem Fall stehe »beispielhaft für den Umgang der Union mit der extremen Rechten«, sagte die Vizevorsitzende der Linkspartei gegenüber »nd«.

Renner kennt Amthor aus ihrer Arbeit im Innenausschuss des Bundestages. »Dass die extreme Rechte und die Gefahr, die von ihr ausgeht, Herrn Amthor auch sonst nicht kümmert, wird daran deutlich, wenn er sich im Innenausschuss beim Thema Nordkreuz nicht einmal zu Wort meldete und offenbar keine Fragen hat«, so Renner. Es ist es nicht das erste Mal, dass Amthor in einem deutlich rechtslastigen Kontext auffällt. Für die erzkonservativen Teile der CDU gilt der 28-Jährige als Hoffnungsträger. Sein politischer Aufstieg stotterte nur kurzzeitig, als im März 2020 Vorwürfe bekannt wurden, dass Amthor Lobbyarbeit für das US-amerikanische IT-Unternehmen Augustus Intelligence betrieb und dafür im Gegenzug Aktienoptionen erhielt. In der Konsequenz verzichtete Amthor auf eine Kandidatur als CDU-Landeschef in Mecklenburg-Vorpommern. Auf Listenplatz eins für die Bundestagswahl wurde er kein Jahr später aber ohne Aufsehen gewählt.

Nicht geschadet haben ihm überdies andere fragwürdige Auftritte: Amthor unterstützt den Berliner »Marsch für das Leben«, den Abtreibungsgegner*innen jährlich organisieren. Auch, als er im Januar das besonders bei den Vertriebenenverbänden beliebte »Pommernlied« live im Internet schmetterte, brachte ihm das Applaus von weit rechts ein. Dorthin hat er ohnehin so manche Kontakte, wie ein Foto aus dem Jahr 2019 belegt. Dieses zeigt Amthor lächelnd an der Seite des Ex-Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.