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»Nur nicht fallen lassen«
In Tokio tragen erstmals paritätische Teams die Landesfahnen ins Stadion
Es ist manchmal gut, wenn sich das erste Bauchgefühl nicht bewahrheitet. Laura Ludwig hatte am Mittwoch zunächst einen großen Schrecken gefühlt, als sie einen Anruf von ihrem Teamleiter bekam. »Wir müssen uns sofort treffen, aber sprich mit niemandem darüber«, habe der gesagt - und die Beachvolleyballerin, die gerade mit dem Bus vom Training zurück ins Olympische Dorf fuhr, überkamen ganz schlechte Vorahnungen. Ein positiver Coronatest könnte bei ihr oder einer Person aus ihrem direkten Umfeld aufgetreten, der Einsatz bei den Spielen dadurch gefährdet sein. »Die positiven Gedanken kamen erst später«, räumte Ludwig ein und grinste. Der Teamleiter hatte ihr verraten, dass sie zur Fahnenträgerin des deutschen Olympiateams gewählt worden sei. Gemeinsam mit dem Wasserspringer Patrick Hausding wird die 35-Jährige am Freitag mit der Deutschlandflagge in der Hand während der Eröffnungsfeier ins Olympiastadion von Tokio einlaufen.
Nachdem der erste Schreck verflogen und von großer Freude ersetzt worden war, saß die Goldmedaillengewinnerin der Spiele in Rio de Janeiro am Donnerstag gelöst auf ihrem Stuhl im Olympischen Dorf und plauderte munter drauf los. »Ich bin einfach stolz«, sagte Ludwig: »Das wird uns beflügeln.« Neben ihr saß Hausding, der zwangsläufig von der guten Laune seiner Nachbarin angesteckt wurde. Der 32-Jährige hat im Vergleich zur quirligen Ludwig ein ruhigeres Naturell - und auch deshalb passt die Auswahl des Duos, das den prestigeträchtigen Job übertragen bekommen hat.
Die Olympiamannschaft und die Öffentlichkeit hatten aus jeweils fünf Kandidaten ihre Favoriten gewählt. Bei den Frauen lag Ludwig klar vor ihrer Konkurrenz und mehr als zehn Prozentpunkte vor der zweitplatzierten Kunstturnerin Elisabeth Seitz. Bei den Männern ging es deutlich enger zu. Hausding (22,65 Prozent) lag nur hauchdünn vor dem Kunstturner Andreas Toba (22,58), Hockeyspieler Tobias Hauke (21,83) folgte knapp dahinter. Der siegreiche Wasserspringer kommentierte das enge Rennen pragmatisch und mit einem Augenzwinkern: »Am Ende hat immer der mit den meisten Stimmen die Präsidentschaftswahl gewonnen.«
Die deutsche Delegation in Tokio weist viele große Sportler mit bemerkenswerten Erfolgen auf, dennoch sind Ludwig und Hausding würdige Vertreter für die ehrenvolle Aufgabe der Fahnenträger. Beide stehen vor ihrer vierten Teilnahme an Olympischen Spielen - und beide stehen für Fairness im Sport. Die Bilder des Olympiasiegs von Ludwig gemeinsam mit ihrer damaligen Partnerin Kira Walkenhorst im Sand der Copacabana in Rio vor fünf Jahren haben sich in das Gedächtnis der Sportöffentlichkeit eingebrannt. Hausding verkörpert seit mehr als einem Jahrzehnt Weltklasse im Turmspringen. 2008 gewann er in Peking eine Silbermedaille, vor fünf Jahren in Rio de Janeiro kam eine bronzene hinzu.
Die Stimmung bei der Bekanntgabe der deutschen Fahnenträger war gelöst - dabei hatte sie nicht reibungslos begonnen. Die geplante Verkündung musste verschoben werden, weil der dafür angedachte Raum erst eine halbe Stunde später genutzt werden konnte. Dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) war bei der Reservierung ein Malheur unterlaufen.
Die Athleten warteten geduldig und versicherten, dass ihnen bei der Eröffnungsfeier keine Panne passieren wird. »Wir dürfen die Fahne nur nicht fallen lassen, das werden wir schon hinbekommen«, sagte Ludwig. Im Vergleich zu ihren Vorgängern bei den Spielen der Vergangenheit wird die Gefahr des »Fallenlassens« größer sein, denn beide müssen sich beim Tragen abwechseln. Erstmals nominierte der DOSB zwei Sportler, die Gleichstellung von Frauen und Männern soll damit dokumentiert und gewährleistet werden. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte den Anstoß dafür gegeben, fortan eine Fahnenträgerin und einen Fahnenträger zu nominieren.
Die Protagonisten aus Deutschland freut das. Es wird keinen Streit darum geben, wer die Fahne wie lange in den Händen halten darf. »Wir haben schon geklärt, dass Patrick stärkere Bizepsmuskeln hat, er wird die Fahne länger tragen müssen als ich«, sagte Ludwig. Fahnenträger Hausding ergänzte: »Kein Problem. Ich freue mich. Das wird witzig, einzigartig und einmalig.«
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