- Berlin
- M-Straße
Einwände verzögern Umbenennung
Bis die Mohrenstraße in Mitte Anton-Wilhelm-Amo-Straße heißt, kann es noch länger dauern
Die Debatte um die Umbenennung der Mohrenstraße in Mitte setzt sich fort. Kaum verkündete das Bezirksamt Mitte die Umbenennung der Mohrenstraße in Anton-Wilhelm-Amo-Straße zum 1. Oktober dieses Jahres, rief der Historiker Götz Aly in seiner Zeitungskolumne der »Berliner Zeitung« dazu auf, die Mohrenstraße zu »retten«. Per Brief an das Bezirksamt sollten Leserinnen und Leser Widerspruch gegen die beschlossene Umbenennung einlegen. Geschichtsfrevel, der der historischen Struktur der Friedrichstadt zusetzen wolle, warf Aly dem Bezirksamt vor, obwohl der Autor sonst eigentlich nicht gerade als Beschöniger kolonialer Verhältnisse gilt. Der Interpretation des Wortes »Mohr« als Schimpfwort und den rassistischen Konnotationen widersprach er mit historischen Argumenten vehement.
Den Wandel der Bedeutung und dass ebenjene rassistischen Konnotationen nach jahrzehntelangem Engagement überhaupt erst zur Umbenennung geführt haben, das lässt Aly indes außer Acht. Ob es Schwarze deutsche Stimmen wie die der verstorbenen afrodeutschen Poetin May Ayim sind, antirassistische Vereine oder Forschende - die rassistischen Dimensionen des Wortes »Mohr« sind in den letzten Jahren nicht nur gesellschaftlich, sondern auch wissenschaftlich vielfach ausführlich diskutiert und erklärt worden.
»Die Umbenennung der M*Straße ist entgegen der Auffassung von Gegner*innen nicht von ›einer kleinen, wenig informierten, antikolonialistischen Gruppierung forciert‹ worden, sondern von Menschen, die von Rassismus betroffen sind, und weißen Unterstützenden. Ihre Expertise speist sich aus ihrer Rassismuserfahrung, und hier wäre es geboten, dies zur Grundlage der Debatte zu machen. Jedes Mal, wenn die Haltestelle in der U-Bahn aufgerufen wird, werden Betroffene rassistisch diskriminiert - das muss geändert werden«, erklärt Tahir Della, Vorstandsmitglied des Vereins Decolonzie Berlin. Gemeinsam mit Anwohnenden und Institutionen der Nachbarschaft setzt sich der Verein seit Jahren für die Umbenennung ein.
Nichtsdestotrotz kamen einige Bürger*innen dem Aufruf nach und haben Widerspruch beim Bezirksamt Mitte eingelegt. Trotz potenzieller Verwaltungsgebühren zwischen 36,79 und 741,37 Euro, die bei amtlichen Anträgen üblich sind, gibt es bisher 1141 ablehnende Stellungnahmen, davon 32 von Anwohnenden der Mohrenstraße. Etwa 300 Widersprüche wurden wegen der drohenden Gebühren zurückgezogen.
Den Widersprüchen stehen dabei über 14 500 Unterstützer*innen gegenüber, die im vergangenen Sommer innerhalb weniger Wochen eine Petition von Decolonize Berlin zur Umbenennung unterschrieben haben. Auch 155 in der Straße arbeitende Wissenschaftler*innen und Institutionen hatten sich der Initiative angeschlossen. Erst angesichts der Breite des Engagements gegen den von vielen als rassistisch empfundenen Namen mitten in der Stadt hatte die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte eine Umbenennung überhaupt diskutiert und letztendlich im August 2020 beschlossen. Demnach wird die Straße künftig nach dem ersten bekannten deutschen Philosophen und Rechtsgelehrten afrikanischer Herkunft Anton-Wilhelm-Amo-Straße heißen.
Der alte Name, so ließ die BVV verlauten, sei nach heutigem Demokratieverständnis durch einen bestehenden rassistischen Kern belastet; stattdessen wolle man eine historische Person afrikanischer Herkunft ehren. Gegen den Beschluss sprachen sich vor dem Zeitungskolumnisten bereits bei der Verkündung CDU, FDP und AfD aus, die nach eigenen Angaben einen Bürgerentscheid bevorzugt hätten. Ob dieser angesichts der breiten Unterstützung für die Umbenennung zu einem anderen Ergebnis als dem Beschluss der BVV geführt hätte, bleibt fraglich.
Wohin die Widersprüche am Ende führen, ist schwer absehbar. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden sie den Umbenennungsprozess verzögern. Denn bis die Straßenschilder wirklich ausgetauscht werden dürfen, müssen erst die Widersprüche und potenzielle Klagen bearbeitet werden. Erst dann kann eine Umbenennung der Straße eingeleitet, können Schilder ausgetauscht werden. Die Dekolonisierung der Stadt-Topografie scheint in diesem Fall nicht am Willen der vielen, sondern an einer Minderheit zu scheitern, die marginalisierten Gruppen die Erfahrung absprechen will.
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