Keine Hilfe trotz Bedarf
Strukturelle Benachteiligungen von Frauen in der Coronahilfe
Nur 20 Prozent ihrer Mitgliedsunternehmen hätten in der Corona-Pandemie staatliche Hilfe beantragt. Das hat eine Untersuchung des Verbandes der Unternehmerinnen (VdU) im Mai dieses Jahres ergeben. Gleichzeitig habe mehr als ein Drittel der frauengeführten Unternehmen weiterhin mit einer gesunkenen Nachfrage nach Produkten oder Dienstleistungen zu kämpfen (37 Prozent). Die Unterschiede sind allerdings groß: Während gut 55 Prozent gerade in krisengebeutelten Branchen im letzten Jahr Einbußen von mehr als 75 Prozent hinnehmen mussten, blieb der Umsatz bei knapp 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gleich. Ihre Unternehmerinnen hätten statt staatlicher Hilfe oftmals lieber eigene Rücklagen genutzt, um über die Runden zu kommen, erklärt der VdU.
Auch die Gründerinnenzentrale in Berlin berichtet von vielen Unternehmerinnen, die ihre Reserven angezapft haben, wenn sie es sich leisten konnten. »Wir haben mehrmals gehört: Ich möchte niemandem etwas wegnehmen, der oder die es dringender benötigt als ich«, erklärt Ulla Schweitzer von der Gründerinnenzentrale. Dennoch kritisiert sie: Bei den Pandemiehilfen fehlten passende Angebote für Frauen, besonders für Soloselbstständige. Frauen seien durch die Zugangskriterien überproportional von den staatlichen Fördermitteln ausgeschlossen. Nebenerwerb, geringe Betriebskosten, weniger Kapital. »Frauen sind nicht per se vorsichtiger, sondern müssen vorsichtiger sein, weil ihre Rahmenbedingungen schlechter sind«, so Schweitzer. So konnten viele Soloselbstständige aufgrund geringer Umsätze noch nicht mal die oberste Voraussetzung erfüllen: Sie konnten sich keine Steuerberatung leisten oder keine finden, um Überbrückungshilfen überhaupt zu beantragen.
Laut ihrer Analyse beginnen Gründerinnen ihre Selbstständigkeit zu zwei Dritteln im Nebenerwerb. Die Grenze liegt bei 51 Prozent des Jahreseinkommens, weitere Kriterien wie Zeitaufwand spielen keine Rolle. Überbrückungshilfe ist aber im Nebenerwerb nicht vorgesehen, auch wenn die Selbstständigkeit einen relevanten Teil des Jahreseinkommens ausmacht. Nebenberuflich Selbstständige wurden stattdessen an die Jobcenter verwiesen, das zeige die Beratungserfahrung der Gründerinnenzentrale. Sie wurden aus der Rolle der Unternehmerin in die der »bedürftigen Person« gedrängt.
Zudem arbeiten Frauen laut einer Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) überproportional häufig in Branchen, die von der Covid-19-Pandemie besonders stark betroffen sind. Eine zentrale Rolle kommt dabei Eindämmungsmaßnahmen wie beispielsweise eingeschränkten Öffnungszeiten zu. Davon seien selbstständige Frauen mit einer rund 60 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit betroffen als selbstständige Männer.
Viele Kleinunternehmerinnen arbeiten zudem mit geringen betrieblichen Kosten. »Für sie gab es bis zur Neustarthilfe gar keine Unterstützung«, so Schweitzer. »Und Frauen haben erfahrungsgemäß knappere finanzielle Reserven. Deshalb kam die mit großer zeitlicher Verzögerung ausgezahlte Novemberhilfe oft zu spät«, analysiert die Gründerinnenzentrale. Im Vergleich: Die Berliner Soforthilfen im ersten Lockdown wurden zunächst schnell und unkompliziert ausgezahlt. Allerdings gab es hier anschließend viele Rückforderungen, etwa weil die Hilfen nicht für den eigenen Lebensunterhalt genutzt werden durften.
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