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- Olympische Spiele in Tokio
Rasanter Start auf der Bahn
Deutsche Radsportlerinnen glänzen bei Olympia mit Silber und einem Weltrekord
Das runderneuerte Izu Velodrom, 120 Kilometer von Tokio entfernt, scheint den deutschen Radsportlerinnen zu liegen. «Ich mag die Bahn, sie fährt sich geschmeidig», sagte Emma Hinze am Montag, kurz nachdem sie auf ihr ebenso geschmeidig zu Silber gefahren war. Dabei war der dreifachen Weltmeisterin jedoch noch etwas Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. «Wir sind hier so schnell gefahren wie noch nie. Aber dann ist man doch enttäuscht, wenn man den Lauf nicht gewinnt», meinte die gebürtige Hildesheimerin im ARD-Interview. Ähnlich ging es ihrer Anfahrerin. «Am Anfang waren wir enttäuscht. Das Gold war so zum Greifen nah und es war am Ende auch so knapp», machte Lea Friedrich aus ihrem Seelenleben kein großes Geheimnis. «Letztendlich sind wir aber stolz, dass wir eine Medaille tragen können», redete sich die 21-Jährige aber noch in eine Freudenstimmung hinein: «Wir sind megahappy.»
Das durften ais auch sein. Richtig knapp ging es im Finale zu, zweimal blieben die Deutschen unter dem alten Weltrekord. Doch die Chinesinnen Zhong Tianshi und Bao Shanju legten jedes Mal ein enormes Tempo vor, lagen nach einer Runde bereits drei Zehntelsekunden vor dem deutschen Duo. Auf der zweiten drehte Hinze auf, kam noch bis auf acht Hundertstelsekunden an die Rivalinnen heran – aber nicht mehr vorbei. Einen Vorwurf wollte sie ihrer Anfahrerin wegen des Rückstands nicht machen. Auch Bundestrainer Detlef Uibel lobte vor allem die Steigerungen, die Friedrich in der Olympiasaison hingelegt hatte. «Sie hat ihre Bestzeiten um mehr als zwei Zehntelsekunden verbessert und kam erst in diesem Jahr überhaupt als Anfahrerin infrage», ordnete der frühere WM-Dritte im Sprint die Leistung ein.
Alle Athletinnen und deren Betreuerstab waren mit großer Ungewissheit zu den Spielen angereist. Das letzte große Kräftemessen der Weltelite fand vor mehr als einem Jahr in Berlin statt. Bei der dortigen WM räumte Emma Hinze mit drei Regenbogentrikots gewaltig ab, trat damit die Nachfolge der verunglückten Doppelolympiasiegerin und elffachen Weltmeisterin Kristina Vogel an. Die sieht in Hinze tatsächlich ihre würdige Nachfolgerin, lobte sie bei der WM auf ihre typisch derbe Art als «Frau mit den dicksten Eiern». Hinze nahm das als Kompliment: «Wow, dachte ich mir, was für ein Ritterschlag», erinnerte sich Hinze und erklärte: «Was sie damit wohl meinte, war, dass ich alle Rennen von vorne gewonnen habe. Ich hatte einfach gute Beine und bin eine Kampfsau.»
Derartige Qualitäten sind bei diesen Olympischen Spielen durchaus nützlich. Denn zum einen konnte niemand aufgrund der langen Wettkampfpause das eigene Leistungsvermögen im Vergleich zur Konkurrenz abschätzen. Alle trainierten zwar so viel wie noch nie, die Wettkampfhärte aber fehlt.
Zum anderen schreckte die Unterkunft, die den Bahnradsportlern zugewiesen wurden, diese in Sachen Bettenqualität alles andere als verwöhnten Athletinnen und Athleten zusätzlich auf. Am Anfang sei sie schon vom Anblick der Unterkünfte schockiert gewesen«, erzählte Hinze in einer Videoschalte mit Journalisten. »Ich hatte das aus Rio noch anders in Erinnerung«, meinte sie. Jetzt sind die Bahnradsportler – anders als die meisten anderen – im alten Athletendorf der Spiele von 1964 einquartiert. Das mag man als Versuch der Nachhaltigkeit bei den gewöhnlich klotzenden Olympiern ansehen. Vor allem ist es aber wohl ein Produkt der Lieblosigkeit. »Man hat sich leider überhaupt keine Mühe gegeben, unser Dorf irgendwie olympisch zu gestalten«, kritisierte Maximilian Levy. Der Bahnsprinter aus Berlin erlebt schon seine vierten Spiele. »Es ist uralt und nichts gepflegt oder instand gehalten. Es deutet auch nichts darauf hin, dass wir hier bei Olympia sind«, meinte Levy weiter. Die richtige Nachhaltigkeitssymbolik hätte es wohl nur gebracht, wenn die hohen Herren um IOC-Präsident Thomas Bach dort eingezogen wären; sie aber logieren wie immer in Luxushotels.
Statt in Olympia fühlen sich die Athletinnen und Athleten also eher in Sparta, dem antiken Stadtstaat, der für Härte gegen seine Kämpfer bekannt wurde. Doch die deutschen Bahnradsportler machen das Beste aus der Situation, glänzen nun im Velodrom, in dem sich trotz Corona zahlreiche Zuschauer auf den Rängen amüsieren. In Izu gelten andere Coronaregeln als in der eigentlichen Olympiastadt Tokio.
Konnte man von Hinze und Friedrich trotz aller Wettkampfungewissheiten noch Edelmetall erhoffen, überraschte die Leistung des Bahnvierers dann doch. Bahnspezialistin Franziska Brauße und die auf der Straße wie auf der Bahn erfolgreichen Lisa Brennauer, Lisa Klein und Mieke Kröger pulverisierten den alten Weltrekord, die der britische Olympiavierer in Rio aufgestellt hatte. Die Britinnen blieben auch noch unter ihrer alten Bestzeit. Dennoch ist der deutsche Vierer plötzlich in der Favoritenposition. »Wir hatten einen richtig guten Tag. Wir wussten schon vom Training, dass es drin ist. Wir nehmen das jetzt als Motivation für die nächsten Läufe mit«, sagte Brennauer – und fügte hinzu: »Träumen darf man immer.« Bei solchen Träumen rückt wohl auch das spartanische Ambiente in den Hintergrund.
Silberfrau Hinze hält sich ohnehin nicht viel mit Meckern auf. Im Sprint und Keirin hat die amtierende Weltmeisterin weitere Medaillenchancen.
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