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- Brandenburgs SPD-Fraktionschef in Neuruppin
Ideen für Innenstädte gefragt
Nach der Coronakrise droht eine Verödung von Stadtzentren
Während Wohnen im Zentrum von Städten wie Potsdam kaum noch bezahlbar ist, könnte anderswo in Brandenburg Zuzug Innenstädte davor retten, zu veröden. Die klassische Fußgängerzone mit Geschäften und Gaststätten ist bereits in den 1990er Jahren durch Einkaufszentren unter Druck geraten, die überall in Ostdeutschland auf der grünen Wiese aus dem Boden gestampft wurden. Der Versandhandel hat durch reiche Auswahl und bequemes Bestellen im Internet vielen Läden das Wasser abgegraben. Die Coronakrise hat die Situation weiter verschärft. Als während der Lockdowns nur die Lebensmittelläden geöffnet waren, hat der Einzelhandel noch mehr Kunden an den Onlinehandel verloren.
Während seiner Sommerreise wollte sich SPD-Landtagsfraktionschef Erik Stohn am Dienstag mit dem Problem der drohenden Verödung der Innenstädte beschäftigen. Wie er am Morgen in Potsdam informierte, wollte er am Nachmittag einen Rundgang durch die Neuruppiner Innenstadt machen, den Wochenmarkt besuchen und dort mit dem Marktleiter Andreas Dziamski sprechen. Auch in dem Laden »Herr Fontane«, in dem regionale Produkte verkauft werden, wollte Stohn vorbeischauen und sich mit Inhaberin Kristina Hannaleck unterhalten. Ansehen wollte sich der SPD-Politiker außerdem das leer stehende Kaufhaus Magnet. Das in den 1920er Jahren errichtete und schon lange ungenutzte Gebäude ist im Jahr 2011 für 30 000 Euro versteigert worden und im Jahr 2016 noch einmal für 94 000 Euro.
»Die Lage des zwangsgeschlossenen Handels ist dramatisch, die Folgen für Innenstädte und Sozialstruktur in Brandenburg werden verheerend sein«, hatte Björn Fromm, Präsident des Handelsverbands Berlin-Brandenburg (HBB), Mitte Februar gewarnt. Der Handel sitze auf Bergen unverkaufter Textilien und Schuhen und müsse die neue vorbestellte Ware abnehmen und bezahlen, beklagte sein Verband damals. Mehr als die Hälfte der betroffenen Unternehmen gehe davon aus, das Jahr 2021 wirtschaftlich nicht zu überleben.
Die Lage habe sich, obwohl die Geschäfte inzwischen wieder geöffnet seien, nicht grundlegend gebessert, die Gefahr der Verödung der Innenstädte drohe in Brandenburg tatsächlich flächendeckend, bedauert HBB-Hauptgeschäftsführer Nils Busch-Petersen. Im Mai und Juni habe es zwar eine leichte Erholung gegeben, stellenweise lagen die Umsätze im Juni sogar über denen vor der Krise. Insgesamt seien aber Verluste von 20 bis 40 Prozent zu verzeichnen. Bei der Bewertung der Folgen der Coronakrise »stehen wir noch am Anfang«, erläutert Busch-Petersen dem »nd«. Die Bilanz könne man erst am Jahresende ziehen. Viele Kaufleute hätten in der schweren Zeit jedoch ihre Rücklagen aufgebraucht und im schlimmsten Fall sogar ihre Altersvorsorge. »Dann dürfen sie wieder, aber können nicht mehr«, sagt der Hauptgeschäftsführer.
Neue Geschäftsmodelle seien essenziell für lebendige Innenstädte, steht in einem vierseitigen Positionspapier der SPD-Landtagsfraktion, das am Dienstag bei einem Pressefrühstück mit Fraktionschef Stohn verteilt wurde. Demnach gehören Einzelhändler genauso wie Gastronomie und Kultur zu einem attraktiven Stadtzentrum. »Die Einschränkungen der Corona-Pandemie haben jedoch gezeigt, dass traditionelle Geschäftsmodelle durch die Discounter und Onlinehändler weiter unter Druck geraten sind. Digitale Präsenzen und Vertriebswege müssen auch für kleine, lokale Unternehmen zum Standard gehören«, vermerkt das Positionspapier. Sauber und sicher sollten die Innenstädte sein, mit schön gestalteten Bahn- und Busbahnhöfen in der Nähe. Man könnte auch öffentliche Verwaltung, Schulen und Kitas in den Innenstädten ansiedeln, um sie zu beleben. WLAN-Hotspots wären zeitgemäß.
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