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Urlaub im Land der 3000 Seen
Die Coronakrise fügt dem Reiseland Brandenburg schweren Schaden zu - doch der Wassertourismus boomt
»Alles Gute. Wir freuen uns, wenn ihr uns wieder besucht«, sagt Dietmar Woidke (SPD) zum Abschied auf dem Gelände des Ziegeleiparks Mildenberg (Oberhavel). Nach seinem leutseligen Schwätzchen mit Familie Gerhards aus Nordrhein-Westfalen ist die Frage, ob die Urlauber überhaupt wissen, mit wem sie da geplaudert haben. Sie wissen es: »Das ist doch der Ministerpräsident von Brandenburg.«
Gerhards sind mit dem Auto angereist, aber der SPD-Politiker kam wegen des Wassertourismus her. In Mildenberg sind bis 1989 Ziegel gebrannt worden. Die Tonstiche und die Havel bilden jetzt ein attraktives Wassersportrevier. Woidke besichtigt die Häfen am Ziegeleipark, spricht mit André Presch, dem Pächter des Alten Hafens und inzwischen auch des Neuen Hafens, an dem 55 Bootsliegeplätze zusätzlich entstanden. Geplant war, diese Liegeplätze innerhalb von zweieinhalb Jahren zu vergeben, doch sie waren bereits nach vier Monaten weg.
Das Land Brandenburg steckte in den vergangenen zehn Jahren ungefähr 80 Millionen Euro Fördermittel in den Wassertourismus.
Im gesamten Jahr 2020 zählte das Bundesland 10,1 Millionen Übernachtungen.
2019, also vor Ausbruch der Corona-Pandemie, waren es knapp 14 Millionen Übernachtungen - ein Rekordwert!
3,3 Millionen Gäste verbrachten im vergangenen Jahr jeweils einige Tage Urlaub in Brandenburg, nur 159 000 von ihnen kamen aus dem Ausland. Im Jahr 2019 hatte man 5,2 Millionen Gäste empfangen, darunter 464 000 aus dem Ausland.
In der märkischen Tourismusbranche sind 100 300 Menschen beschäftigt.
Im Jahr 2019 gab es im Bundesland 1530 Beherbergungsstätten mit zusammen 84 537 Betten sowie 172 Campingplätze mit insgesamt 41 604 Schlafgelegenheiten. af
»Wir gehören zu den Gewinnern der Pandemie«, bestätigt Presch, ohne zu zögern. Er glaubte im ersten Lockdown im Frühjahr 2020, seine Beschäftigten in Kurzarbeit schicken zu müssen, sagte ihnen damals aber gleich: »Wenn es wieder losgeht, werden wir uns nicht retten können.« Schließlich war nicht einmal Kurzarbeit erforderlich. Einstweilen reparierten die Leute Boote.
»Wir sind ausgebucht, wir waren vor Covid nie ausgebucht«, erzählt Caroline Boehnke, Geschäftsführerin der Spree Marine GmbH. Sie vermietet Luxusjachten. Acht Stück sind am Neuen Hafen in Mildenberg stationiert und gerade alle unterwegs. Für eine dieser Jachten müssen je nach Ausführung und Jahreszeit 1500 bis 4000 Euro pro Woche hingeblättert werden. »Ich bin der teuerste Anbieter in Deutschland«, verrät die Geschäftsführerin. Doch die Kosten scheinen für die Kunden momentan keine Rolle zu spielen. »Die Leute haben gar nicht mehr nach dem Preis gefragt. Sie waren froh, dass sie etwas bekamen«, sagt Boehnke.
Für die Branche wirkt sich aus, dass während der Coronakrise Familien in Brandenburg Sommerurlaub machen, die sonst in den Süden geflogen wären. Es kommen Gäste aus Bundesländern, die Brandenburg als Reiseziel nie auf dem Schirm hatten, erläutert Mathias Knospe, Vizechef der Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH (TMB). Ob die Menschen auch noch kommen, wenn die Pandemie vorüber ist, kann er nicht sicher vorhersagen. Anzeichen dafür gibt es aber. So sagen 77 Prozent der Besucher, der Urlaub in Brandenburg sei »richtig gut« gewesen, und 80 Prozent würden das Land für eine Reise weiterempfehlen, erläutert Knospe.
Die zeitweise Schließung von Hotels, Pensionen und Gaststätten wirkten sich dennoch aus. Insgesamt registrierte Brandenburg von Januar bis Ende Mai 2021 etwa 1,56 Millionen Übernachtungen - rund eine Million weniger als im Vorjahreszeitraum, der auch schon von Corona geprägt war, allerdings damals erst ab März. Das entspricht einem Minus von knapp 39 Prozent. Die Zahl der Gäste sank sogar um 58 Prozent. Doch die rund 350 000 Urlauber, die gekommen sind, blieben nun länger als noch im Jahr 2019 - nämlich jetzt im Schnitt 4,4 Tage und nicht nur 2,6 Tage. Das lässt sich leicht erklären. Statt nur Kurzurlaub verbrachten Familien ihren Jahresurlaub in Brandenburg. Es scheint wieder aufwärtszugehen, doch ein guter Sommer wird nicht ausreichen, die schweren Verluste auszugleichen, bedauert der TMB-Vizegeschäftsführer Knospe.
Auch Ministerpräsident Woidke weiß um die Einbußen der Hoteliers und Gastronomen und ist sich bewusst, dass die staatlichen Hilfszahlungen dies nicht ganz ausgleichen konnten. Darum nutzt er die Gelegenheit, vor herrlicher Kulisse am Alten Hafen von Mildenberg zu sagen, dass Besucher in seinem Bundesland wunderbar Urlaub machen können und sollen. »Brandenburg hat mit dem Wassertourismus ein Alleinstellungsmerkmal«, schwärmt er. »Kein anderes Bundesland bietet nahezu flächendeckend so eine Fülle von attraktiven Revieren und wassertouristischen Angeboten.«
Das benachbarte Mecklenburg-Vorpommern gilt als Land der 1000 Seen. Brandenburg hat 3000 Seen und wirbt inzwischen analog zur bekannten Mecklenburgischen Seenplatte mit seinem brandenburgischen Pendant, das sich direkt anschließt. Neben den Mildenberger Häfen besucht Woidke am Mittwoch im Rahmen einer Pressefahrt noch den Stadthafen Liebenwalde und den Schlosshafen Oranienburg - beide ebenfalls im Landkreis Oberhavel gelegen.
Am Hafen Liebenwalde erregt Woidke mit seinem Tross die Aufmerksamkeit von Touristen aus der Schweiz und den Niederlanden, vor deren große Jachten er sich stellt. Die Schweizerin Barbara Nydegger erkundigt sich, wer hier der Prominente sei, dem alle nachlaufen. Im Gegensatz zu den Gerhards aus Nordrhein-Westfalen weiß sie das nicht. Als sie es erfährt, bittet sie um ein Foto mit dem Ministerpräsidenten. Den Wunsch erfüllt er ihr prompt.
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