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Rundfunkbeitrag muss erhöht werden

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist auch eine Niederlage für die Koalition in Sachsen-Anhalt

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 5 Min.

Die öffentlich-rechtlichen Sender haben per Verfassungsbeschwerden eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags durchgesetzt. Am Dienstag veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht eine entsprechende Entscheidung. Der Beitrag steigt nun vorläufig ab dem 20. Juli um 86 Cent auf 18,36 Euro pro Monat. Das ist der Tag, an dem der nun veröffentlichte Beschluss fiel. Die Erhöhung gilt zunächst so lange, bis der entsprechende Änderungsstaatsvertrag zur Regelung der Finanzierungsfrage abschließend in Kraft treten wird. Auf eine rückwirkende Erhöhung zum 1. Januar verzichtete das Gericht.

ARD, ZDF und Deutschlandradio waren vor Gericht gezogen, weil die Rundfunkbeitragserhöhung durch Sachsen-Anhalt blockiert worden war. Die Landesregierung in Magdeburg aus Union, SPD und Grünen war an dem Streit über die Erhöhung Ende des vorigen Jahres beinahe zerbrochen. Die CDU hatte die Erhöhung strikt abgelehnt. Sozialdemokraten und Grüne wollten sie hingegen mittragen. Um zu verhindern, dass seine Fraktion die Erhöhung im Magdeburger Landtag mit den Stimmen der AfD blockiert, hatte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) die Entscheidung dem Landtag entzogen und so für ein Veto Sachsen-Anhalts gesorgt, ohne dass das Parlament darüber abgestimmt hatte.

In den Debatten um die Zustimmung zu der Erhöhung zwischen den Parteien in Sachsen-Anhalt war unter anderem mit der Forderung argumentiert worden, eine Zustimmung an Reformen und Neuausrichtungen im Programm von ARD, ZDF und Deutschlandfunk zu knüpfen. Dabei ging es unter anderem darum, den Stellenwert der Berichterstattung aus Ostdeutschland zu erhöhen.

In ihrem Urteil stellten die Karlsruher Richter klar, dass die Festsetzung der Rundfunkbeiträge »frei von medienpolitischen Zwecksetzungen« erfolgen müsse. Die Länder als Gesetzgeber hätten sicherzustellen, dass die Sender ihren Funktionsauftrag durch eine »bedarfsgerechte Finanzierung« erfüllen könnten. Die Festsetzung der Beiträge müsse im Sinne der Rundfunkfreiheit in einer Weise erfolgen, die das Risiko einer »Einflussnahme« auf den Programmauftrag oder die Programmgestaltung ausschließe.

Bei der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zwecks Sicherung einer freien, öffentlichen Meinungsbildung bildeten die Bundesländer eine »föderale Verantwortungsgemeinschaft«, so das Verfassungsgericht in seinem Urteil. Jedes Bundesland habe eine »Mitgewährungspflicht«. Komme ein Bundesland dieser Pflicht nicht nach und verhindere damit die grundgesetzlich vorgeschriebene Bedarfssicherung, liege eine Verletzung der Rundfunkfreiheit vor. Diese gemeinsame »Handlungspflicht« der Bundesländer schließe jeden Versuch einer Blockade durch ein einzelnes Land bei Fragen der bedarfsgerechten Finanzierung aus. »Jedenfalls genügt es im gegenwärtigen von den Ländern vereinbarten System nicht, wenn ein einzelnes Land eine Erhöhung der Rundfunkbeiträge – überdies ohne tragfähige Begründung – ablehnt«, erklärten die Richter.

Eine Ohrfeige für Haseloff

»Das heute veröffentlichte Urteil ist eine deutliche Ohrfeige für die immer noch geschäftsführende Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt und die drei Koalitionspartner CDU, SPD und Grüne«, sagte die sachsen-anhaltische Linksfraktionschefin Eva von Angern. Die Leittragenden seien damit die Beitragszahlenden, auf deren Rücken dieser Konflikt der Koalition ausgetragen wurde. »Es ist sehr bedauerlich, dass das Urteil nicht vor der Landtagswahl gefällt wurde. Es macht noch einmal deutlich, dass hier sehenden Auges Verfassungsbruch durch die Koalition begangen wurde, nur um den Leuten vorzugaukeln, dass eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags von 86 Cent verhindert werden könnte«, so von Angern.

Auch der Deutsche Journalistenverband (DJV) und die Gewerkschaft Verdi begrüßten die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Es handle sich um ein »gutes Zeichen für den Qualitätsjournalismus bei ARD, ZDF und Deutschlandradio«, erklärte der DJV-Vorsitzende Frank Überall. Für Populisten, die über die Finanzierung Einfluss auf Programminhalte nehmen wollten, sei die Entscheidung hingegen eine »schallende Ohrfeige«. Überall appellierte an die öffentlich-rechtlichen Sender, bereits eingeleitete und möglicherweise geplante Sparmaßnahmen zulasten der Programmangebote ad acta zu legen. »Es gibt jetzt keinen Grund mehr, an der journalistischen Qualität der öffentlich-rechtlichen Angebote zu sparen.«

Das für die Medien zuständige Verdi-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz wertete das Urteil als »dringend notwendige Klarstellung«. Damit sei ein »verfassungsrechtlich nicht zulässiger staatlicher Eingriff in den grundgesetzlich geschützten freien Rundfunk abgewehrt« worden. »Parteipolitischen Winkelzügen wie dem der CDU in Sachsen-Anhalt schiebt das Urteil einen höchstrichterlichen Riegel vor«, erklärte Schmitz.

Reiner Haseloff betonte, dass seine Regierung den Beschluss aus Karlsruhe akzeptiere. Allerdings meinte der sachsen-anhaltische Ministerpräsident, dass es weiterhin eine »Dilemmasituation« gebe. Es werde auch künftig zu Situationen kommen, in denen »frei gewählte Abgeordnete« in Landtagen geplanten Beitragserhöhungen nicht zustimmen wollten, sagte der CDU-Politiker. Der aktuelle Beschluss des Verfassungsgerichts enthalte leider keinen »Innovationshinweis« zur Lösung dieses bereits seit langem bekannten Grundproblems.

Derzeit verhandeln CDU, SPD und FDP über eine neue Koalition in Sachsen-Anhalt. Die Gespräche wurden kürzlich auf Freitag vertagt. Einige Details müssten noch im kleinen Kreis zwischen den Parteien geklärt werden, hieß es aus den Verhandlungskreisen. Alles deutet darauf hin, dass sich die Parteien einigen und die Grünen dann nicht mehr Teil der Landesregierung sein werden. Ihre Landtagsfraktionschefin Cornelia Lüddemann erklärte zu dem Karlsruher Urteil, die CDU habe »den Rundfunkanstalten, aber auch dem Land Sachsen-Anhalt mit ihrem unverantwortlichen und eigenmächtigen Handeln, die Anpassung des Rundfunkbeitrags abzulehnen, immens geschadet«. Die CDU habe »in Richtung AfD geschielt und Tore nach rechts geöffnet«.

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