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- Mannschaftssport ohne Olympiamedaille
Ein gefährlicher Trend
Das deutsche Olympiateam bleibt in den Mannschaftssportarten medaillenlos. Gründe dafür gibt es genug
Am Ende flogen hölzerne Schläger über den blauen Kunstrasen. Aus und vorbei. Am Donnerstag hatten die deutschen Hockeyspieler auch die letzte Medaillenchance einer Mannschaftssportart bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio vergeigt. 4:5 in der Hitzeschlacht im Spiel um Bronze gegen Indien, der erfolgsverwöhnte Deutsche Hockey-Bund fährt erstmals seit 21 Jahren ohne Medaille wieder heim. Das Frauenteam des DHB hatte sich schon vorher aus dem Turnier verabschiedet. Immerhin: Sie hatten sich aber zumindest für das Kräftemessen im Zeichen der Ringe qualifiziert, was Fußballerinnen, Basketballerinnen und Handballerinnen, Volleyballer oder Volleyballerinnen erst gar nicht schafften. Die deutschen Fußballer, Handballer und Basketballer blieben in Tokio auch früh auf der Strecke, die Hoffnungen im Beachvolleyball waren auf Sand gebaut. Seit Sydney 2000 war die Delle in den Mannschaftssportarten, bei denen ein Ball im Spiel ist, nicht mehr so dramatisch. Ausgerechnet in den quotenträchtigsten Sportarten hat Deutschland anscheinend den Anschluss verloren.
Ursachenforschung tut not, denn eigentlich gäbe es ja kein erhebenderes Gefühl, als in einem funktionierenden Team zu gewinnen oder zu verlieren, meint Bernhard Peters. Der ehemalige, erfolgreiche Bundestrainer der Hockeyspieler, der beinahe Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes geworden wäre, danach aber bei den Bundesligisten 1899 Hoffenheim und Hamburger SV als Nachwuchsexperte den Volkssport Nummer eins grundlegend durchleuchtete – denkt noch heute sportartenübergreifend. Und: Er hat das Drama im Grunde kommen sehen, obwohl auch den 61-Jährigen die Ausmaße erschrecken.
Peters sagt, dass es »keine eindimensionale Erklärung« gibt. Aber augenfällig sei, »dass wir uns mit der Entwicklung im Hochleistungsbereich schwertun. Zu viel fehlt an systematischer Ausbildung an der Basis, zu groß sind die Defizite bei Technik, Kreativität und Handlungsschnelligkeit.« Nicht mal mehr die vielbeschworenen deutschen Tugenden helfen, weil andere Nationen noch mehr Willensschulung betrieben haben. Und auch bei der Physis zeigen sich Unterschiede. Die Australier haben es im Halbfinale in Peters Paradedisziplin Hockey vorgemacht. »Der Gegner war eine Stufe explosiver. Auch bissiger und gieriger. Die Niederlage war gegen einen taktisch und technisch besseren Gegner daher verdient«, urteilt der Jahrzehnte im Hockey tätige Experte.
Wer sich wie der in Hamburg lebende vierfache Vater in den Ballsportarten den Nachwuchs anschaut, dem wird angst und bange. Der Fußball greift die meisten Bewegungstalente ab, bildet sie aber in der Mehrzahl nicht gut aus. »Hier fehlt es seit fast zehn Jahren an der richtigen Umsetzungsstrategie«, kritisiert Peters. Zu dieser Schieflage werden sich die Spätfolgen des Sportverbots in der Pandemie gesellen: Eine Vielzahl von Kindern und Jugendlichen sind dem Vereinssport bereits verloren gegangen. Probleme wie Übergewicht und hoher Medienkonsum verschärfen sich auf teils dramatische Art, weil sich die Politik beharrlich über fast ein ganzes Jahr geweigert hat, Sportvereine anders als Spaßbäder und Saunaklubs zu behandeln. »Der Bewegungsmangel multipliziert sich in einem hochtechnologisierten Land, wenn Kinder stundenlang nur vor Computern, Smartphones oder Rechnern sitzen«, warnt Peters.
Ohne Vorbilder, die gerade doch durch Olympische Spiele erzeugt werden könnten – man denke nur an die 2012 mit Gold dekorierten Beachvolleyballer Julius Brink und Jonas Reckermann oder vier Jahre danach Laura Ludwig und Kira Walkenhorst – fehlen sichtbare Anreize für die Jugend, sich in diesen Sportarten zu versuchen. »Das ist doch eigentlich auch der Sinn des Hochleistungssports: Idole werden erzeugt, damit die breite Masse ihnen nacheifert, aus der die nächsten Topleute im Handball, Basketball oder Hockey nachwachsen«, weiß Peters. »Wenn aber die Spitze zu wenig leuchtende Vorbilder hervorbringt, erschwert das wieder die Ausbildungsarbeit.« Deutschland muss aufpassen, dass da nicht ein Teufelskreis in Gang kommt, der flächendeckend Sportmuffel heranzüchtet.
Dieser Sommer habe mit dem schwachen Auftritt der deutschen Fußballer bei der Europameisterschaft nicht gut begonnen. Die Mannschaft als Multiplikator mit der größten Auswirkung, habe überhaupt keine Bindekraft ausgestrahlt, moniert der 2018 beim HSV ausgestiegene Sportdirektor. Bei den Olympischen Sommerspielen war dann wieder kein Team, in das sich der Fernsehzuschauer habe vergucken können. Die Entwicklung ist gerade besonders schade, weil eine auseinanderdriftende Gesellschaft, die sich in vielen politischen und gesellschaftlichen Fragen in den vergangenen Jahre immer weiter entzweit hat und durch die Coronakrise auch noch Distanz halten muss, das verbindende Erlebnis einer Mannschaftssportart so dringend nötig hat wie selten zuvor. Es gibt kein besseres Integrationsprogramm als eine multikulturelle Gemeinschaft beim Basketball, Handball, Fußball oder Hockey, in der am Ende bei jedem einzelnen eigentlich nur zählt, was er oder sie für das Team einbringt.
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