Verwaltung mit Corona überfordert – und nicht die Kliniken

91 Prozent der Anträge auf finanzielle Entschädigung bei Quarantäne noch nicht bearbeitet

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Zahl der aktuell mit dem Coronavirus infizierten und noch nicht wieder genesenen Brandenburger hat sich innerhalb einer Woche von geschätzt 300 auf 500 erhöht. Die Zahl der Neuinfektionen je 100 000 Einwohner stieg von 8,4 auf 13,0. In Brandenburgs Krankenhäusern ist die Situation fast unverändert. Elf Corona-Patienten werden dort behandelt. Vier liegen auf der Intensivstation, drei müssen beatmet werden. Vor einer Woche lagen 13 Corona-Patienten in den Kliniken, davon sechs auf der Intensivstation, und drei mussten beatmet werden. Todesfälle werden nur noch sehr selten gemeldet, der letzte am 2. August. Seitdem verharrt die Opferzahl bei 3818 – gerechnet seit dem Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020.

Zwar folgten auf steigende Infektionszahlen bisher immer erst mit etlichen Wochen Verzögerung höhere Opferzahlen. Doch spricht einiges dafür, dass die Impfungen wirken und es deswegen nur noch vergleichsweise wenige schwere Krankheitsverläufe geben wird. Knapp 1,3 Millionen Brandenburger sind inzwischen vollständig geimpft. Das entspricht 50,8 Prozent der Bevölkerung, wie das Gesundheitsministerium am Montag mitteilte. Um die Herdenimmunität zu erreichen, müssten mindestens 60 Prozent geimpft sein, besser 70 Prozent oder mehr.

Angaben des Amtes für Soziales und Versorgung
  • Ab 1. Mai hatte das Landesamt für Soziales und Versorgung 22 Beschäftigte aus anderen Bereichen in die Projektgruppe Entschädigungsleistungen umgesetzt.
  • Zum Stichtag 30. Juni 2021 standen im Land Brandenburg für die Bearbeitung von Anträgen auf Entschädigung wegen Quarantäne
48 Sachbearbeiter zur Verfügung.
  • Seit dem 1. Juli unterstützen zwei vom Oberlandesgericht Brandenburg abgeordnete Rechtsreferendare das Landesamt für Soziales und Versorgung für drei bis vier Monate bei der Bearbeitung von Widersprüchen und Klagen gegen ablehnende Bescheide.
  • Bis 30. Juni wurde in 172 Fällen Widerspruch gegen Bescheide eingelegt, in 16 Fällen wurden Klagen eingereicht, von denen vier bereits erledigt sind.
  • Ausgezahlt wurden bis Ende Juni 2,52 Millionen Euro Entschädigung. af

Würden sich alle Erwachsenen immunisieren lassen, wäre es nicht notwendig, Kinder und Jugendliche zu impfen. Genau deswegen hat die Ständige Impfkommission bislang von einer Empfehlung der Impfung für die 12- bis 17-Jährigen abgesehen und sich auch nicht von der Politik dazu drängen lassen. An diesem Dienstagmorgen befasst sich nun eine von der AfD verlangte Sondersitzung des Landtags mit der unabhängig von der Kommissionsempfehlung durchaus möglichen Impfung der Minderjährigen.

Indessen beschwerte sich der Landtagsabgeordnete Ronny Kretschmer (Linke) am Sonntag über die schleppende Bearbeitung von Anträgen auf eine finanzielle Entschädigung für Firmen, deren Beschäftigte sich in Quarantäne begeben mussten und deswegen nicht arbeiten konnten. Nach einem Bericht des Landesamtes für Soziales und Versorgung wurden bis 30. Juni 53 557 Anträge gestellt – nur 2717 wurden positiv beschieden, 2611 abgelehnt. Alle übrigen, rund 91 Prozent, sind noch nicht bearbeitet.

Offenbar sei das Gesundheitsministerium trotz gegenteiliger Beteuerungen nicht in der Lage, die Anträge abzuarbeiten, rügte Kretschmer. »Im Gegenteil, der Antragsberg erreicht langsam die Dimension eines Hochgebirges.« Dies offenbare ein »eklatantes und inakzeptables Organisationsversagen« von Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). Das bisher zur Verfügung gestellte zusätzliche Personal reiche offenkundig nicht aus. Einen von der Linksfraktion im Juni gestellten Antrag, mehr Personal zu bewilligen, habe die Koalition aus SPD, CDU und Grünen »damals brüsk zurückgewiesen«. Laut Kretschmer »ein Fehler mit Folgen, wie sich jetzt zeigt«. Beim bisherigen Tempo würde die Bearbeitung noch Jahre dauern, rechnete der Abgeordnete vor. Für die Betroffenen sei dies ein »unhaltbarer Zustand«.

Dem Bericht des Landesamtes ist die Rechtfertigung zu entnehmen, 80 Prozent der gestellten Anträge seien leider unvollständig. Ministeriumssprecher Gabriel Hesse ergänzt am Montag, es seien viele Einzelfälle zu prüfen. Dies mache das Unterfangen sehr kompliziert. Außerdem stellten Unternehmen häufig Sammelanträge für ihre von Quarantäne betroffenen Mitarbeiter. Die finanzielle Entschädigung müsse aber für jeden Beschäftigten einzeln beantragt werden. Neu sei die Entschädigung bei Quarantäne nicht, erläutert Hesse. Auch vor Corona habe es sie für andere Infektionskrankheiten gegeben. Da lagen die Antragszahlen für neun Jahre bei insgesamt 171. Mit der Pandemie sei dann aber zu der ungeahnten Mehrbelastung der Verwaltung durch Corona noch diese Antragsflut gekommen.Ab 1. Mai hatte das Landesamt für Soziales und Versorgung 22 Beschäftigte aus anderen Bereichen in die Projektgruppe Entschädigungsleistungen umgesetzt.

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