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Wasserwehr? Welche Wasserwehr?

Thüringens hochwassergefährdete Kommunen sind teilweise schlecht auf den Ernstfall vorbereitet

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer eine Ahnung davon bekommen will, wie schnell eine Überschwemmung über eine Stadt kommen kann, der muss sich ein Video anschauen. Aufgenommen wurde es Ende Juli in Belgien. Es zeigt, wie es in Dinant regnet. Es regnet stark, keine Frage. Aber am Ende ist es eben doch eigentlich nur Regen.

Dann, plötzlich, nicht mal eine Minute nach Beginn des Videos, ergießt sich eine braune Schlammflut durch die Straße, von deren Seite aus dieses Video aufgenommen worden ist. Zunächst ist diese Flut vielleicht zwei, drei Zentimeter tief. Sie steigt weiter und weiter an. Ungefähr eine Minute und dreizehn Sekunden nach Beginn des Videos ist ein schwarzes Auto zu sehen, dessen Fahrer noch versucht, durch die Wassermassen einen Hang hinauf zu fahren. Dreißig Sekunden später wird dieses Auto den Hang wieder hinabgespült. Deutlich weniger als zwei Minuten hat es also gedauert, bis sich in Dinant eine Straße, auf die es zuvor nur heruntergeregnet hatte, in einen reißenden Strom verwandelt hat.

Hochwasser kann unglaublich schnell sein. So schnell, dass auch Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) seit Monaten schon dafür wirbt, dass sich die Kommunen im Freistaat lange vor dem möglichen Auftreten einer solchen Unwetterkatastrophe darauf vorbereiten. Denn was ganz banal klingt, ist es eben nicht. Die Erfahrungen aus einigen Kommunen, die schon vom Hochwasser getroffen wurden, seien verheerend, sagt sie. Bisweilen hätten Helfer nicht gewusst, wo sie Sandsäcke hätten herbekommen sollten. »Man kann aber nicht im Starkregen anfangen, nach Sandsäcken zu suchen«, sagt Siegesmund. »So was muss vorher geklärt sein.«

Ein Instrument der Vorbereitung, auf das Siegesmund seit Langem hinweist, ist die Einrichtung eines Wasserwehrdienstes in den Städten und Gemeinden. Der funktioniert ähnlich wie eine Feuerwehr, nur dass man dort im Ernstfall statt Feuer eben Wasser und dessen Folgen bekämpft: Dämme improvisieren, Menschen aus überfluteten Häusern retten, Keller auspumpen.

Um einen solchen Dienst aufzubauen, gibt es vor allem zwei Möglichkeiten: Entweder eine Kommune schafft eine komplette neue, entsprechende Organisation - eine eigene Wasserwehr - wofür sie allerdings Personal braucht, das oft nicht vorhanden ist. Oder sie überträgt diesen Dienst auf eine schon bestehende Hilfsorganisation, in der Regel - genau - die Feuerwehr; die dann allerdings zusätzliches Material und Knowhow braucht.

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Freisetzung von Altlasten aus Sedimenten bei Hochwassern untersucht

Nach dem geltenden Wasserwirtschaftsrecht sind Gemeinden, die »erfahrungsgemäß durch Hochwasser gefährdet sind«, sogar verpflichtet, einen Wasserwehrdienst aufzubauen - auf die eine oder die andere Art und Weise. Tatsächlich, oft entgegen ihrer gesetzlichen Pflicht, und in der Regel gegen Siegesmunds Werben haben aber nur wenige Thüringer Kommunen bislang einen solchen Dienst aufgebaut. Etwa 20 Kommunen im Land seien entsprechend auf Hochwasserlagen eingestellt, heißt es aus dem Umweltministerium. Darunter seien vor allem solche Städte, die in den vergangenen Jahren massiv überflutet wurden, wie etwa Jena. Überhaupt, sagt Siegesmund, seien Städte, die schon einmal massive Hochwasserschäden zu beklagen gehabt hätten, in der Regel offener gegenüber der Wasserwehr-Idee.

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Ein Ausweis für dieses Zögern ist auch, dass in den vergangenen Jahren Fördermitteln liegen geblieben sind, die es im Freistaat für solche Kommunen gibt, die Schlauchboote, Wathosen, Sandsäcke, Nasssauger, Regenjacken, Schwimmwesten, Tauchpumpen und ähnliches für ihren Wasserwehrdienst anschaffen wollen. Etwa 360 000 Euro seien bis Ende 2020 dafür von den Kommunen beim Land über das Thüringer Landesprogramms Hochwasserschutz abgerufen worden, sagt ein Sprecher des Umweltministeriums. Das Programm gibt es seit 2016. »Insgesamt stand mehr Geld zur Verfügung. Wir hatten jährlich zwischen 200 000 und 400 000 Euro.« Gründe dafür, dass Geld nicht abgerufen wird, sollen sein, dass den Kommunen die Beantragung des Geldes zu aufwändig ist - oder dass sie die Notwendigkeit dafür nicht sehen.

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