Pflegeschüler drohen ebenfalls mit Streik

Etwa die Hälfte der Azubis bei Vivantes und Charité ist massiv unzufrieden mit ihrer Situation

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch Ausbildung braucht gute Arbeitsbedingungen. Ohne die wird es kaum möglich sein, den Fachkräftemangel in der Pflege nachhaltig zu bewältigen. Doch schon lange geht es auf den Stationen so miserabel zu, dass viele Azubis während oder nach der Ausbildung das Weite suchen. Nicht zuletzt deshalb kämpft die Berliner Krankenhausbewegung, die Krankenhausbeschäftigten von Charité, Vivantes und den Tochterunternehmen, zusammen mit Unterstützer*innen auch für bessere Ausbildungsbedingungen.

»Die Azubis machen im ersten Jahr der Ausbildung alles, was die examinierten Pflegekräfte zeitlich nicht mehr schaffen: die Versorgung der Patient*innen mit Essen und Trinken oder die Körperpflege beispielsweise«, erzählt Gianluca, Pflegeauszubildender bei Vivantes und Mitglied in der Tarifkommission. Seinen Nachnamen möchte er nicht in der Zeitung lesen. Eigentlich sollen die Azubis auf den Stationen durch das Fachpersonal angeleitet werden, sagt er. »Das funktioniert aber nicht, wenn die Stationen ständig unterbesetzt sind und die Pfleger*innen einfach keine Zeit haben.« Der Frust sei groß.

»Wir fordern eine mindestens zweitägige Einarbeitung auf Station durch Beschäftigte des Stammpersonals, bevor wir dort unseren Praxisteil beginnen«, erklärt Lisa, die an der Charité lernt. Auch sie möchte ihren Nachnamen nicht nennen. Es könne nicht sein, dass man ohne Betreuung direkt in den Einsatz geht. Deshalb fordern die Pflegeschüler*innen mehr Praxisanleitung und eine Eins-zu-eins-Betreuung in der Ausbildung. Auch sie haben die Unterbesetzung auf den Stationen satt. »Wir wollen eine Möglichkeit, um zu kontrollieren, dass wir nicht ständig die Unterbesetzung auffüllen«, sagt Lisa.

Dass es im Klinikbetrieb auf absehbare Zeit immer stärker knirschen dürfte, sollten die Unternehmen nicht auf die Forderungen eingehen, zeigt eine Umfrage unter 300 Azubis, die die Krankenhausbewegung durchgeführt hat. Rund die Hälfte aller Befragten kann sich unter den aktuellen Arbeitsbedingungen gar nicht oder eher nicht vorstellen, den Beruf langfristig bei Vivantes oder Charité auszuüben. Ungefähr ebenso viele gaben an, ständig oder häufig in den eigenständigen Umgang mit Patient*innen geschickt zu werden, obwohl sie hierfür noch nicht ausgebildet seien. 75 Prozent halten den Beruf unter den gegebenen Arbeitsbedingungen gar nicht oder eher nicht mit ihrer eigenen Familienplanung oder Freizeitgestaltung vereinbar.

Derweil stehen die Kliniken vor einem Pflegestreik. Das 100-Tage-Ultimatum der Krankenhausbewegung zur Durchsetzung eines Tarifvertrags Entlastung und eines Tarifvertrags des Öffentlichen Dienstes für die Angestellten der Vivantes-Tochterunternehmen läuft am 20. August ab. Und die Verhandlungen treten offenkundig auf der Stelle. »Am vergangenen Freitag gab es eine erste Verhandlungsrunde mit der Charité«, sagt Janine Balder, zuständige Gewerkschaftssekretärin bei Verdi. Dabei sei deutlich geworden, dass die Vorstellungen für einen Entlastungstarifvertrag sehr weit auseinander liegen.

»Die Verantwortung für die landeseigenen Krankenhausunternehmen liegt aber auch bei der Politik«, sagt Balder. Diese müsse jetzt handeln, sonst käme es zeitnah nach Ablauf des Ultimatums zum unbefristeten Streik. »Die Auszubildenden streiken auf jeden Fall mit«, so die Gewerkschafterin. Verdi zufolge wollen sich vier Fünftel der befragten Pflegeschüler*innen an den Aktionen und Streiks beteiligen. Davor überreichen sie an diesem Donnerstag ihren eigenen Forderungskatalog an Pflegesenatorin Dilek Kalayci (SPD). »Das ist nur der Anfang. Wir haben noch Großes vor, wenn unsere Forderungen nicht erfüllt werden«, sagt die Auszubildende Lisa.

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