Pankow weist Gorillas in die Schranken

Bezirksamt geht ordnungsrechtlich gegen Zustände vor Lieferlagern vor

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Maximal 80 Fahrräder vor dem Laden« – dieser handgeschriebene Zettel hängt in der Nähe des Lausitzer Platzes in Berlin-Kreuzberg. Er ist ein Hinweis für die »Rider« genannten Fahrradkuriere des Lebensmittel-Lieferdienstes Gorillas. Weitere Zettel weisen daraufhin, dass nicht zu viele von ihnen vor dem Laden stehen sollen. Der Blick ins Innere erinnert an eine sehr schäbige Kaufhalle aus vergangenen Zeiten. In abgeschrammten beigen Blechregalen stehen die Waren bereit, die bald im Eiltempo zu den Kundinnen und Kunden gebracht werden sollen. Es riecht nach Schweiß.
Anwohnerinnen und Anwohner sind genervt von dem Gewusel bis spät in die Nacht, von blockierten Bürgersteigen, gerade auch durch die permanente Anlieferung neuer Ware. Durch die vielen Rollcontainer soll der Bürgersteig wie ein Warenlager gewirkt haben, Passanten seien kaum durchgekommen.

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Pankow geht als bisher einziger Bezirk an der Prenzlauer Allee gegen solche Zustände vor, wie aus einer noch unveröffentlichten Antwort auf eine Schriftliche Anfrage der Linke-Abgeordneten Katalin Gennburg hervorgeht, die »nd« vorliegt. »Im Bezirk Pankow werden solche Nutzen nicht als Teil des Gemeingebrauchs betrachtet. Es handelt sich hier eindeutig um ausschließlich gewerbliche Nutzungen«, heißt es dort. Anträge auf Sondernutzung seien bisher nicht gestellt worden, sie würden auch abgelehnt werden, so das Bezirksamt. Gegen Gorillas sei ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden. »Außerdem wurde die Beräumung der genutzten Flächen angeordnet«, heißt es weiter. Doch Gorillas wehrt sich nun juristisch – Ausgang offen.

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Gorillas ist sich keiner Schuld bewusst. Man halte »alle Vorgaben zum Gemeingebrauch des Straßenlandes ein« und stehe »in engem Austausch mit AnwohnerInnen und zuständigen Behörden, um alle rechtlichen Vorgaben zu erfüllen und den Bedürfnissen der AnwohnerInnen und anderen NutzerInnen des öffentlichen Raums gerecht zu werden«, heißt es in der Antwort auf die parlamentarische Anfrage von dem Unternehmen selbst. Doch eine als Idee verpackte Forderung stellt das Start-up doch auf: »Eine Umwidmung von Parkplätzen zu Fahrradabstellplätzen könnte zum Beispiel den an Lagerhäusern angrenzenden Raum entlasten.«

In Mitte hat das Ordnungsamt mehrere Schwerpunktkontrollen zur Einhaltung der Verkehrsregeln durch die Fahrradkuriere durchgeführt.

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»Alles, wozu Edeka und andere klassische Händler Lager vorhalten müssen, machen Gorillas, Flink und Co auf dem öffentlichen Straßenland«, konstatiert Katalin Gennburg, Sprecherin für Smart City und Stadtentwicklung ihrer Fraktion. Das Just-in-Time-Prinzip, mit denen Industrie- und Handelskonzerne die Autobahnen zu ihren Lagerflächen gemacht haben, werde nun auf die Straßen der Städte ausgeweitet. »Zumal ein Bedarf bedient wird, den es eigentlich gar nicht gibt.«

»Start-ups wie Gorillas betreiben eine Kannibalisierung nicht nur der Arbeitnehmer*innenrechte, sondern auch des Einzelhandels«, sagt Gennburg zu »nd« und fordert eine »harte Regulierung der digitalen Plattformen«. Sie bedauert, dass Pankow bisher als einziger Bezirk versucht habe, der »Kapitalisierung des städtischen Raums für die Lieferdienste« Einhalt zu gebieten. Die Senatsverkehrsverwaltung lässt in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage nicht erkennen, sich bisher vertieft mit dem Thema zu befassen.

»Der neue digitale Warenvertrieb erfordert ein politisches Bewusstsein dafür, welche Prozesse dieser in Arbeitswelt und Stadtentwicklung lostritt, um einschreiten zu können«, sagt Gennburg. »Das bloße Abfeiern von digitaler Innovation ist politisch blind.«

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