- Berlin
- Klinikstreik
Das Recht auf Arbeitskampf erstritten
Arbeitsgericht nimmt Streikverbot für die Vivantes-Angestellten zurück, die Proteste gehen weiter
»Wir haben gewonnen, es ist ein Riesenerfolg«, zeigt sich die Anästhesie-Pflegerin Silvia Habekost erleichtert gegenüber »nd«. Habekost steht am Dienstagnachmittag vor dem Arbeitsgericht Berlin. Nach mehrstündiger Verhandlung wurde gerade entschieden, dass der Streik der Klinikbeschäftigten des Vivantes-Krankenhauskonzerns zulässig ist. Die einstweilige Verfügung hatte am Montag für große Empörung bei den arbeitskämpfenden Beschäftigten gesorgt, die sich ihres Streikrechts beraubt sahen.
Die Geschäftsführung von Vivantes versuche offensichtlich, die Kampfkraft der Beschäftigten zu brechen, sagt dazu die Landesvorsitzende der Linkspartei, Katina Schubert. »Es ist Zeit für Tarifverhandlungen in verbindlichem Rahmen«, erklärt die Linke-Politikerin. Wenn man seitens des Klinikkonzerns einen Tarifvertrag Entlastung als ausgeschlossen betrachte, hätte dies bereits weit vor dem Ende des 100-Tage-Ultimatums verkündet werden müssen. »Auch Runde Tische hätte man längst vorschalten können.« Schubert bezeichnete das uneinheitliche Vorgehen der landeseigenen Krankenhausbetreiber als »good cop, bad cop«-Spiel.
Der Streik an der Charité war bisher gerichtlich nicht angetastet worden, gegen einen Streik bei den Vivantes-Töchtern hatte es aber bereits am Freitag eine einstweilige Verfügung gegeben. Am Montag erfolgte dann das Verbot für die Vivantes-Beschäftigten. Der Konzern verlautbarte am Dienstag, an einem Runden Tisch nach Lösungen im aktuellen Tarifkonflikt suchen zu wollen. »Wir sind gesprächsbereit. Daher laden wir dazu ein, zeitnah an einem Runden Tisch zur Entlastung der Pflege zusammenzukommen. Das Thema ist aber nicht allein von Vivantes zu lösen, wir brauchen auch grundsätzlich eine Reform in der Gesundheitsversorgung«, sagte Johannes Danckert, kommissarischer Vorsitzender der Vivantes-Geschäftsführung. Neben der Gewerkschaft Verdi wolle Vivantes dazu auch neutrale Dritte einladen.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) kündigte unterdessen am Dienstag in der Senatspressekonferenz an, dass er sowohl von der Geschäftsführung von Vivantes als auch der Gewerkschaft Verdi »Kompromissbereitschaft« erwartet. »Wir müssen zu einer Grundlage kommen, dass das Streikrecht ermöglicht wird«, erklärte Müller. Für einen solchen sensiblen Bereich wie die Krankenhäuser brauche es deshalb eine Notdienstvereinbarung. Der Regierende, der in den vergangenen zehn Tagen in mehreren Gesprächen mit den Beteiligten war, setzt auf die Verhandlungsbereitschaft der Akteure. Mit Blick auf die Charité sagte Müller, der auch der Aufsichtsratsvorsitzende der Universitätsklinik ist, dass man auch ohne Notdienstvereinbarung einen Streik stattfinden lassen kann. Wichtig sei, dass so schnell wie möglich Tarifverhandlungen über die Entlastung der Beschäftigten im Pflegebereich geführt werden, so Müller.
Die Klinikmitarbeiter*innen, die zeitgleich zur Sitzung des Senats vor dem Roten Rathaus demonstrierten, erhielten unter anderem Unterstützung vom Betriebsrat des privaten Klinikkonzerns Helios. Dieser verabschiedete am Dienstag spontan eine Solidaritätsbekundung. Am Mittwoch um 16 Uhr will die Neuköllner Linksfraktion ein Solidaritätspicknick im Volkspark Friedrichshain abhalten.
Die Gewerkschaft Verdi hatte ab Montag zu einem dreitägigen Warnstreik aufgerufen, unter anderem, um eine Entlastung für Pflegekräfte zu erwirken. In einem Tarifvertrag Entlastung sollen feste Quotienten für die Patientenversorgung festgelegt werden, die die Streikenden aufgrund von Personalnot und Überlastung derzeit als »lebensbedrohlich« bezeichnen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.