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Junge Kollegen für die Justiz gesucht
Zukunftskonferenz befasst sich mit dem personellen Umbruch in Brandenburgs Gerichten und Staatsanwaltschaften
Sie sei »etwas misstrauisch geworden, als es um die Reform der Arbeitsgerichtsbarkeit ging«, gesteht Petra Schmidt, Landesvorsitzende der Deutschen Justizgewerkschaft, am Donnerstag. Sie sagt das bei einer Konferenz zur Zukunft der brandenburgischen Justiz in der Potsdamer Staatskanzlei. Der Landtag hat im Mai beschlossen, die Zahl der Arbeitsgerichte von sieben auf vier zu reduzieren. Die von Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) vorangetriebene Reform hatte für erhebliche Verstimmung gesorgt.
Doch Petra Schmidt will nach vorn schauen. »Ich freue mich über jeden jungen Kollegen, dem ich auf dem Flur begegne und der nicht bloß Praktikant ist«, sagt sie. Bedienstete sollten nicht mit der Entgeltgruppe 6 in Rente gehen, mit der sie eingestellt werden, sondern im Laufe ihres Berufslebens die Entgeltgruppe 8 erreichen können, gibt Schmidt einen Tipp, wie Personal zu gewinnen wäre.
Denn auf Brandenburgs Justiz kommt ein Umbruch zu. In den nächsten Jahren werden etwa 25 Prozent der Mitarbeiter in den Ruhestand treten. Man müsse sich Gedanken machen, wie junge Leute »angelockt« werden können, erklärt Ministerin Hoffmann. So habe man bereits zunehmend Probleme, Justizfachangestellte zu gewinnen. »Unser größtes Pfund ist die Gemeinwohlorientierung, der Dienst für den Rechtsstaat«, denkt Hoffmann. Damit könne man den Idealismus der Jugend ansprechen. Aber dennoch müsse der Justizdienst attraktiver werden. Es müssten nicht allein Beruf und Familie miteinander vereinbar sein, sondern auch Familie und Karriere.
Mit diesen Schwierigkeiten steht Brandenburg nicht allein. Das verdeutlicht Kai von Holleben von der PD Beratung für die öffentliche Verwaltung GmbH. Ihm zufolge gibt es bundesweit einen großen Überhang der Mittvierziger bis Anfangsechziger in der öffentlichen Verwaltung. Auch in der Wirtschaft sei die Altersstruktur ungünstig, aber den Öffentlichen Dienst betreffe das in besonderer Weise.
Mit der Aufgabe, die Justiz zu modernisieren, schlägt sich auch Thomas Dickert herum. Der Präsident des Oberlandesgerichts Nürnberg berichtet in Potsdam von den Erfahrungen in Bayern. Da drehe es sich darum, am ersten Tag ein modern eingerichtetes Büro zu beziehen und »nicht die abgekauten Stifte des Vorgängers« vorzufinden. Die elektronische Akte gebe es zwar, sie bilde aber nur die Papierakte ab. Und das bevorzugte Kommunikationsmittel sei nach wie vor das Fax. Auch die Verfahren seien nicht modern, beruhten im Wesentlichen noch immer auf der Zivilprozessordnung von 1877. »Justitia ist eine Frau«, erinnert Dickert. Immer mehr Frauen studieren Jura. 55 bis 65 Prozent der neu eingestellten Kollegen in Bayern seien weiblich. Schon seien nur noch die Hälfte aller Beschäftigten Männer. Bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sehe er keinen Handlungsbedarf, wohl aber bei den Führungsfunktionen, die noch überwiegend von Männern besetzt werden.
Mal abgesehen von den Arbeitsgerichten trifft Ministerin Hoffmann bei ihren Reformbemühungen durchaus auf den Willen, dabei mitzuwirken. »Lassen sie uns eine Sekunde Bedenken hintanstellen. Lassen sie es uns gemeinsam machen«, wirbt kurz und knapp Marc Gernert, Landeschef des Bundes Deutscher Rechtspfleger. Er lobt, dass man mit der neuen Ministerin wieder »ein gewisses Maß an Wertschätzung« erfahre. Claudia Correto vom Richterbund moniert, die Justiz sei zuletzt »heruntergewirtschaftet« worden. Zuletzt in den Jahren 2009 bis 2019, da waren Volkmar Schöneburg, Helmuth Markov und Stefan Ludwig (alle Linke) Minister. Es war die Zeit der rot-roten Koalition, in der die SPD den Landesdienst anfangs drastisch zusammenstreichen wollte. 2020 und 2021 sind nun schon 77 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte und 105 Stellen für sonstiges Personal geschaffen worden, erklärt Justizministerin Hoffmann stolz.
Die Zukunftskonferenz sei »keine Einmalveranstaltung«, versichert die Landtagsabgeordnete Tina Fischer (SPD). An die Auftaktveranstaltung am Donnerstag schließe sich eine Arbeitsgruppenphase an. »Wir rufen die an einen Tisch, die sich auskennen und beauftragen kein Consulting-Unternehmen«, so Fischer.
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