• Politik
  • Atommüllendlager Schacht Konrad

Salzgitter will keine strahlenden Fässer

Niedersachsen soll Genehmigung für Endlager zurückziehen, fordern Kommunalpolitiker, Gewerkschaften und Verbände

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 4 Min.

Alle reden über das künftige Endlager für hoch radioaktiven Müll. Das muss noch gefunden werden, nachdem Gorleben im Nordosten Niedersachsens endlich nicht mehr als Standort zur Debatte steht. Da ist aber auch noch das bereits genehmigte und im Bau befindliche Endlager im ehemaligen Eisenerzbergwerk Schacht Konrad. Nutznießer der unterirdischen Deponie ist vor allem die Atomwirtschaft. Sie will in der Grube bei Salzgitter im Süden Niedersachsens ihre schwach und mittelradioaktiven Abfälle dauerhaft versenken. Der Bund, laut Gesetz für die nukleare Entsorgung zuständig, hat das Endlager beantragt, die bundeseigene Gesellschaft für Endlagerung (BGE) ist Bauherr und will die Halde später auch betreiben.

Genehmigungsbehörde ist aber das Land Niedersachsen. Es hat den Umbau der Grube zum Endlager im Jahr 2002 nach langem politischen und juristischen Tauziehen und im Rahmen des von der damaligen rot-grünen Bundesregierung mit den Energiekonzernen verhandelten Atomausstiegs genehmigt.

Der damalige Planfeststellungsbeschluss erlaubt die Einlagerung von bis zu 303 000 Kubikmeter Atommüll: Strahlende Rückstände aus dem Betrieb und Abriss von Atomkraftwerken im Wesentlichen, zum kleineren Teil kontaminierte Abfälle aus Forschung und Medizin. Nach immer neuen Verzögerungen ist die Inbetriebnahme nun für 2027 geplant, die Einlagerung der Abfälle wird sich über Jahrzehnte hinziehen. Aktuell werden die Baukosten auf 4,2 Milliarden Euro beziffert, aber das Ganze dürfte am Ende noch deutlich teurer werden. Ursprünglich waren die Gesamtkosten mit 900 Millionen Euro angegeben worden.

In diesem Frühjahr startete das aus Kommunalpolitik, Gewerkschaften, Landvolk und Bürgerinitiativen bestehende Bündnis »Salzgitter gegen Konrad« eine neue Kampagne. Die Umweltverbände BUND und Nabu beantragten bei Landesumweltminister Olaf Lies (SPD), den Planfeststellungsbeschluss zurückzuziehen oder zu widerrufen. Begleitet wurde die Kampagne von einer bundesweiten Unterschriftensammlung.
Die Planungen für das Endlager seien völlig veraltet, sagen die Kritiker. Sie entsprächen nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik. So sagt Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU): »Solange nicht bewiesen ist, dass Schacht Konrad heutigen Anforderungen an ein tiefengeologisches Lager für radioaktive Abfälle entspricht, dürfen keine weiteren Fakten geschaffen und Gelder versenkt werden.«

Silke Westphal von der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad verweist darauf, dass viele Atomanlagen in Deutschland in den 1980er Jahren nur genehmigt wurden, weil Schacht Konrad damals als »Entsorgungsnachweis« diente. »Vierzig Jahre später müssen wir leider erkennen, dass der Schacht schon damals nicht geeignet war, radioaktive Abfälle aufzunehmen«, sagt Westphal. Heute entspreche er erst recht nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik.

Matthias Wilhelm, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Salzgitter-Peine, beklagt, dass die Auswirkungen der Lagerstätte auf Großbetriebe wie die Salzgitter AG und die Batteriezellenfertigung bei VW überhaupt noch nicht untersucht wurden: »Es ist absurd und verantwortungslos, ein Atommülllager mitten in einem Industriegebiet neben Störfallbetrieben errichten zu wollen.« Und Protestveteran Ludwig Wasmus fasst zusammen: »Das alte Eisenerzbergwerk ist für die dauerhafte sichere Lagerung radioaktiver Abfälle gänzlich ungeeignet.« Minister Lies habe jetzt die Chance, endlich das Richtige zu tun und das Projekt zu beenden.

Der SPD-Politiker hatte bei Entgegennahme des Antrags der Verbände betont, der Planfeststellungsbeschluss sei wirksam. Es sei aber klar, dass sich bei einem viele Jahrzehnte umfassenden Vorhaben wie diesem »der Stand von Wissenschaft und Technik weiterentwickelt«. Er könne nicht das Ergebnis der Prüfung vorwegnehmen, so Lies, versicherte aber: »Wir nehmen das sehr ernst und werden mit Blick auf eventuell weitreichende, rechtliche Konsequenzen genau prüfen.«

Aufhorchen ließ vorletzte Woche eine Pressemitteilung des Umweltministeriums. Darin wurde der Eindruck erweckt, Lies halte an Schacht Konrad fest, habe sich also bereits gegen eine Rücknahme der Genehmigung entschieden. Fässer mit schwach radioaktiven Abfällen aus Medizin, Forschung und Technik würden aus der Landessammelstelle Leese (Kreis Nienburg) in den Schacht gebracht, kündigte Lies laut der Mitteilung an.
Auf nd-Nachfrage versicherte das Ministerium allerdings, es werde nach wie vor ein möglicher Widerruf der Genehmigung für Schacht Konrad geprüft. Die entsprechenden Äußerungen von Lies von Ende Mai hätten »weiterhin Bestand«, sagte Ministeriumssprecher Matthias Eichler: »Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.«

Am Samstagmittag wollen die Konrad-Gegner die gesammelten Unterschriften gegen das Endlager an Lies übergeben – im Rahmen einer Demonstration, zu der Initiativen aus ganz Norddeutschland mobilisieren. In Salzgitter startet zur Unterstützung bereits am Morgen ein Traktorenkonvoi.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -