Wo bleibt die Unterstützung?

David Wetzel ist Krankenpfleger an der Berliner Charité. Warum er sich an einem Streik beteiligt, erklärt er in diesem Beitrag.

  • David Wetzel
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit 2017 arbeite ich als Krankenpfleger auf einer onkologischen Station an der Charité. Seit meiner Ausbildung ist mir klar: Es muss sich etwas fundamental ändern an den Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern. Am 12. Mai haben wir Beschäftigte den Klinikleitungen von Charité und Vivantes und dem Land Berlin ein 100-Tage-Ultimatum gestellt. Konkret fordern wir: Einen Tarifvertrag Entlastung, bessere Ausbildungsbedingungen und die Bezahlung nach dem Tarifvertrag öffentlicher Dienst auch in den Tochterunternehmen. Die Landesregierung und die sie tragenden Parteien SPD, Grüne und Linke versichern uns immer wieder ihre Unterstützung. Passiert ist bis heute nichts.

Die Lage auf meiner Station konkret: Wir brauchen im Früh- und Spätdienst jeweils zwei weitere examinierte Pflegekräfte, um unsere Arbeitsbelastung zu reduzieren, bessere onkologische Pflege leisten zu können, aber auch um unsere Patient*innen so zu überwachen, wie es ihnen bei der Gabe von Chemotherapien oder nach Stammzelltransplantationen zusteht. Die Besetzungen in der Onkologie, so wie sie auch das Bundesgesundheitsministerium vorschreibt, reichen bei weitem nicht aus. Die Deutsche Krebsgesellschaft empfiehlt, in der onkologischen Pflege tagsüber nicht mehr als fünf Patient*innen zu versorgen. Ich bin für doppelt so viele Menschen verantwortlich. Das bedeutet für mich eine höhere Belastung und für die Patient*innen, dass ihre Sicherheit gefährdet ist. Nicht in jedem Dienst. Aber immer wieder.

Deshalb müssen sich die Kliniken jetzt bewegen und mit uns Mindestbesetzungen für alle Stationen und Bereiche festschreiben. Kommt es dann zu unterbesetzten Diensten, muss ein Freizeitausgleich gewährleistet werden können. Der soll mich für die Überlastung entschädigen. Vor allem soll er aber Unterbesetzung für die Klinik so teuer machen, dass sie keinen Anreiz mehr hat, immer mehr Patient*innen mit immer weniger Personal zu behandeln. Diese schicht- und stationsspezifischen Besetzungsregeln sind der Knackpunkt in den aktuellen Verhandlungen. Hiervon weichen wir nicht ab, denn es geht nicht nur um unsere Gesundheit, sondern um eine bessere Versorgung aller Berliner*innen.

Berlin will bis 2030 Gesundheitsstadt werden und die Charité hat eigens hierfür eine Strategie 2030 ausgerufen. Notwendig ist dafür, dass die Landesregierung den landeseigenen Kliniken einen größeren finanziellen Spielraum schafft. Zwar erlaubt der Landeshaushalt keine direkten finanziellen Zuschüsse für die landeseigenen Unternehmen. Im Rahmen der dualen Finanzierung der Kliniken sind die Landesregierungen für die Bereitstellung der Investitionskosten z.B in Gebäude und medizinische Geräte zuständig. Die Personalkosten werden von den Krankenkassen getragen. Weil aber die Landesregierungen seit Jahren ihren Verpflichtungen für die Investitionen nicht gesetzeskonform nachkommen, haben die Kliniken notwendige Baumaßnahmen oder Neuanschaffungen von Maschinen durch Kürzungen beim Personal querfinanziert. Die Aufgabe der Landesregierung ist eindeutig: Sie muss den Kliniken die eigentlich vorgesehenen Investitionskosten zur Verfügung stellen.

Bis heute, 117 Tage nach dem Aufstellen des Ultimatums, ist von Seiten der Landesregierung noch immer nichts passiert. Unser dreitägiger Warnstreik Ende August hat viele in der Politik aufgerüttelt. Wir bekommen viel Besuch, prominente Politiker*innen von Rot-Rot-Grün versprechen, unsere Forderungen zu unterstützen. Doch langsam wird die Zeit für eine Lösung knapp.

Heute wird das Ergebnis der Urabstimmung der Beschäftigten von Charité, Vivantes und den Tochter-Gesellschaften bekannt gegeben. Ich rechne mit einer sehr hohen Streikbereitschaft. Seit dem 1. März haben sich über 1800 Kolleg*innen neu in der Gewerkschaft Verdi zusammengeschlossen und sind in der Krankenhausbewegung aktiv geworden. Wir haben es geschafft, unsere Unzufriedenheit und Verzweiflung in kollektive Stärke zu verwandeln. Passiert jetzt nichts, sind wir fest entschlossen, in der Hochphase des Wahlkampfes in den Streik zu gehen. Wir werden die Landespolitik an ihre Versprechen erinnern – wenn es sein muss jeden Tag bis zu den Wahlen am 26. September.

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