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Entscheidender Schritt in Richtung »Deutschland-Koalition«
SPD-Mitglieder in Sachsen-Anhalt stimmen für den Koalitionsvertrag mit CDU und FDP. Damit dürfte das Bündnis nun Realität werden
Die SPD ist ja schon lange keine reine Arbeiterpartei mehr, versteht sich seit dem »Godesberger Programm« von 1959 als Volkspartei. Eine arbeiterliche Rhetorik wählen die Sozialdemokraten aber bis heute gern: »Jetzt den Dampf auf die Maschine umschalten«, sagte ein zufrieden wirkender Andreas Schmidt, promovierter Historiker und Landesvorsitzender der SPD in Sachsen-Anhalt, am Samstag in Magdeburg.
Soeben war das Ergebnis des Mitgliederentscheids hinsichtlich der »Deutschland-Koalition« bekannt gegeben worden. Auf eine solche hatten sich die Verhandlungsführer von CDU, SPD und FDP nach der Landtagswahl vom 6. Juni verständigt. Die SPD hatte daraufhin ihre Mitglieder befragt - und die haben der Landesführung nun Rückendeckung verschafft, wenngleich das Ergebnis nicht überragend ausfiel: 63,4 Prozent der Mitglieder sprachen sich für das schwarz-rot-gelbe Regierungsbündnis aus, 36,6 Prozent votierten dagegen. »Das Ergebnis ist in jeder Hinsicht ein starkes Signal«, sagte Schmidt. Mit 60,4 Prozent lag die Wahlbeteiligung höher als bei allen anderen SPD-Mitgliederbefragungen bisher.
Ganz unzutreffend war Schmidts Dampf-Metapher nicht. Die Abstimmung der SPD-Basis galt als höchste Hürde auf dem Weg zur »Deutschland-Koalition«, viele Mitglieder hatten erhebliche Bedenken gegen eine Zusammenarbeit mit Konservativen und Liberalen geäußert. Entsprechend versuchte die Parteiführung, die Basis in Regionalkonferenzen auf ihre Seite zu ziehen, was funktioniert hat. Auch wenn die anderen Parteien noch über die Koalition entscheiden müssen - die CDU befragt ebenfalls ihre Mitglieder, die FDP entscheidet auf einem Parteitag am 10. September über den Beitritt in die Regierung -, dürfte der »Deutschland-Koalition« nun nichts mehr im Wege stehen. Die Maschine kann also langsam anlaufen.
Drei Gründe sprachen allerdings aus Sicht der Kritiker gegen eine »Deutschland-Koalition«. Erstens: Die Landes-SPD hatte bei der Wahl am 6. Juni mit 8,4 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis in der Geschichte Sachsen-Anhalts eingefahren, befindet sich aktuell also in keinem guten Zustand. Zweitens: Schon eine Zusammenarbeit mit der CDU allein hätte im Landtag eine Mehrheit von einer Stimme, doch die Christdemokraten sprachen sich gegen ein solches Zweierbündnis aus. Möglicherweise fürchtet sich Ministerpräsident Reiner Haseloff vor rechtsoffenen Widersachern in den eigenen Reihen. Und drittens: Die SPD hat, gemessen an ihren Ansprüchen, nicht sonderlich gut verhandelt. Sie hat beispielsweise das heiß geliebte Wirtschaftsministerium an die CDU verloren.
Zu den prominentesten Kritikern gehörte Ex-Landeschef Burkhard Lischka: Der Koalitionsvertrag sei »der mit Abstand schlechteste, über den ich in 31 Jahren SPD-Mitgliedschaft jetzt abstimmen werde«, schrieb dieser in einer SPD-internen Facebook-Gruppe. Auch der Landesvorsitzende der Jusos, Rico Rauch, bedauerte auf Twitter das Ergebnis: »Gekämpft und verloren. Heute heißt es Wunden lecken und ein Frustbier trinken.«
Umso größer fällt der Jubel bei der CDU aus: »Es ist ein gutes Ergebnis und ein großer Schritt hin zur ›Deutschland-Koalition‹«, begrüßte Landeschef Sven Schulze, der das Wirtschaftsministerium von Armin Willingmann übernehmen soll, das Ergebnis des SPD-Mitgliederentscheids: »Das ist ein guter Tag für Sachsen-Anhalt.« Etwas verhaltener reagierte die FDP: »Es ist ein solides Ergebnis«, sagte Landeschefin Lydia Hüskens, die als künftige Verkehrsministerin gilt. Sie habe zwar mit einer höheren Zustimmung gerechnet, angesichts der hohen Wahlbeteiligung seien die 63,4 Prozent Zustimmung aber »ein ordentlicher Auftrag«.
Die »Deutschland-Koalition« befindet sich jetzt auf der Zielgeraden. Haben alle drei Parteien den Entwurf angenommen, kann der Vertrag am 13. September unterzeichnet werden. Drei Tage später könnte Reiner Haseloff als Ministerpräsident im Landtag wiedergewählt werden.
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