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- Charité und Vivantes
Alle für Streik
98 Prozent der bei Verdi organisierten Beschäftigten bei Charité und Vivantes stimmen für neuen Arbeitskampf ab Donnerstag
Es war eine Nachtschicht wie aus einem Horrorfilm. Was Heike Gross berichtet, treibt einem die Tränen in die Augen: »Ich war in der Nacht praktisch mit 30 Patienten allein, nur eine Pflegehelferin aus dem Leasing war noch da«, erzählt Gross, Pflegerin im Vivantes Ida-Wolff-Krankenhaus in Neukölln. Das Haus ist auf Altersheilkunde spezialisiert und betreut Patient*innen ab 70 Jahren. Das heißt, viele Menschen kommen mit Demenzerkrankungen oder anderen gesundheitlichen Belastungen neben dem eigentlichen Anlass ihres Aufenthalts.
»Wir mussten einen Patienten reanimieren, was ich zusammen mit der Ärztin übernommen habe«, berichtet die Vivantes-Angestellte. Währenddessen habe sie um sich herum »Klingeln, Rufen und das Schreien von Patienten« gehört, die Leasing-Kraft habe ihr von gestürzten Menschen berichtet, während sie 30 Minuten lang eine Herz-Druck-Massage durchführte, die dann erfolglos abgebrochen werden musste. »Derweil waren vier Patienten gestürzt, die wir mit dem Rettungsdienst mit Verdacht auf Hirnblutung zum CT schicken mussten.«
Die Spaltung überwunden. Claudia Krieg findet die Urabstimmung der Klinikbeschäftigten wegweisend
Sie habe weinend überlegt hinzuwerfen, sagt Gross bei der Pressekonferenz der Verdi-Gewerkschaft am Montag, bei der die Ergebnisse der Urabstimmung in den Krankenhäusern sowie Vivantes-Tochterunternehmen vorgestellt werden, die unter den gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten durchgeführt wurde. Diese sind eindeutig: Mit fast 100 Prozent Zustimmung ist die Streikbereitschaft ungebrochen groß. »Genau wegen solcher Dienste«, unterstreicht Heike Gross. Das Ziel sei klar: »Wir müssen uns erholen können, ohne den Krankenschein auf den Tisch zu legen«.
Gross kämpft wie Tausende ihrer Kolleg*innen unter anderem für bessere Arbeitsbedingungen und eine höhere Bezahlung der Beschäftigten in Tochterfirmen. Den Klinikmitarbeiter*innen geht es um einen Tarifvertrag Entlastung und im Fall der Vivantes-Töchter um die Aufnahme in den Tarifvertrag des Öffentlichen Dienst (TVÖD).
Wenn sich aus den vereinbarten Gesprächen am heutigen Montag, Mittwoch und Donnerstag keine eindeutigen Angebote der Unternehmensführungen der landeseigenen Kliniken ergeben, dann werde man ab Donnerstag unbefristet streiken, erklärt Verdi-Verhandlungsführerin Meike Jäger. Sie rechne mit deutlich mehr als 1000 bis 2000 Beschäftigten, die in den Streik treten. »Das wird sicherlich spürbar werden für die Unternehmen«, so die Verdi-Frau. Genaue Angaben zur Zahl der Verdi-Mitglieder, die abgestimmt haben, veröffentliche die Gewerkschaft nicht. Es habe aber im Zuge der Warnstreiks in den vergangenen Wochen einen deutlichen Zuwachs von über 1800 Mitgliedern in den Krankenhäusern gegeben. »Wir liegen im höheren vierstelligen Bereich«, gab die Gewerkschafterin an.
Für die Mitarbeiter*innen der Tochtergesellschaften erwarte Verdi bis Donnerstag ein Angebot der Geschäftsführung, sagt Verhandlungsführer Ivo Garbe. Es sei ein großer Erfolg, dass wieder mit dem Arbeitgeber verhandelt werde.
Im Fall der Charité ist die weitere Planung laut Jäger noch ungeklärt. Das bisherige Angebot des Unternehmens sei bei weitem nicht ausreichend. »Wir sind weiterhin jederzeit bereit, die Gespräche fortzusetzen«, erklärt ein Charité-Sprecher zur Sache. Derzeit stagnierten die Verhandlungen leider. »Wir hatten bei den Tarifverhandlungsterminen in der vergangenen Woche ein detailliertes, attraktives Angebot mit vielen unternehmensspezifischen Leistungen für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorgelegt sowie Zahlenmaterial für die Gespräche zur Verfügung gestellt«, so der Sprecher. Die Gewerkschaft habe ihre Forderungen aber noch nicht ausreichend konkretisiert. Der Vorstand der Charité bedauere die angekündigten Streikmaßnahmen, hieß es weiter.
»Wir haben lange genug gewarnt. Das Ziel ist es, sich durchzusetzen«, macht Meike Jäger noch einmal deutlich, wie ernst es den Beschäftigten sei. Ihre ehrenamtliche Kollegin Jennifer Lange, die im Vivantes-Klinikum Spandau für das Tochterunternehmen SKL im dortigen Klinik-Bistro tätig ist, erklärt das aus ihrer Sicht: »Wir wollen nur fair und gerecht bezahlt werden. Wir wollen keinen Streik, sondern den Tarif.« Sie habe als Alleinerziehende mit ihrem Lohn keine Wohnung anmieten können, kann ihren Sohn nicht im Studium unterstützen. »Ich stehe genauso an der Kasse wie meine Kollegin mit Tariflohn, aber bekomme 900 Euro weniger. Das ist eine ganze Miete«, sagt Lange. Und: »Es braucht ein ganzes Krankenhaus, um Menschen zu heilen«, sagt sie auch.
Es habe von mehreren Regierungspolitiker*innen in Gesprächen Unterstützung gegeben, erklärt Meike Jäger auf der Pressekonferenz. Man werde »die Regierungsparteien jeden Tag bis zu den Wahlen erinnern«. Verdi hatte bereits vor zwei Wochen mit einem dreitägigen Warnstreik den Klinikbetrieb eingeschränkt. Vorausgegangen waren gerichtliche Auseinandersetzungen, bei denen es auch um Notdienst-Regelungen ging.
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