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- "Krieg gegen den Terror"
Die doppelte Zäsur nach 9/11
DER KHAN-REPORT: 20 Jahre nach dem 11. September gelten Muslim*innen im Westen als »Terrorist*innen« oder Kollateralschaden - nie als Opfer
Zum Jahrestag des Terroranschlags auf das World Trade Center in New York finden sich auch hierzulande überall Analysen und Gedenktexte. Ich gehöre zu dieser Generation, die sich sowohl an eine USA vor dem 11. September 2001 erinnern kann, die aber auch den Wandel unserer Gesellschaft nach den islamistischen Anschlägen sehr bewusst wahrgenommen hat.
2996 Menschen starben an diesem Tag in New York. Die Reaktion der USA, der »Kampf gegen den Terror«, ließ nicht lange auf sich warten. Über eine Million Menschen - darunter Zivilist*innen, Hochzeitsgesellschaften und Kinder - wurden in den letzten 20 Jahren Opfer oder »Kollateralschaden« im »War on Terror«. Sie wurden unter anderem von aus Deutschland gesteuerten Drohnen getötet.
Ja, der 11. September 2001 stellt eine Zäsur da. Wie kein anderes Ereignis des 21. Jahrhunderts. Und nicht nur für die westliche Welt, die sich gerne als einziges Opfer islamistischen oder dschihadistischen Terrors betrachtet.
Schon meine Familie floh in den 80er und 90er Jahren vor islamistischen Gesetzen aus ihrer Heimat, die ihre Existenz als religiöse muslimische Minderheit dort gefährdet haben und bis heute Todesopfer fordern.
Diese Ebenen und Lebensrealitäten sind im Westen schwer zu vermitteln - sei es in Kurdistan, Syrien oder Afghanistan. Muslim*innen oder muslimisch markierte Menschen werden hier entweder gar nicht, oder nur ganz selten und äußerst selektiv als Opfer von Terror oder Unterdrückung betrachtet. Selbst nach den Anschlägen von Hanau hat sich daran nicht viel geändert.
Trotz Hanau, trotz regelmäßiger Angriffe auf Moscheen, Geflüchtetenunterkünfte, und Anschläge auf Menschen, die muslimisch markiert sind, ist anti-muslimischer Rassismus als Diskriminierungs- und Unterdrückungsform in Deutschland immer noch kein großes Thema.
Dabei ist das kein Phänomen, das wir erst seit 2001 kennen. Über 60 Jahre Gastarbeiter*innengeschichte in Deutschland heißt auch über 60 Jahre Rassismus, Ausbeutung, Diskriminierung und rechte und rassistische Gewalt und Terror.
Doch nach 9/11 änderten sich öffentliche Debatten und Diskurse sowie die Grenze des Sagbaren. Politisch wie gesellschaftlich wurden Muslim*innen, Ausländer und Flüchtlinge zu den »Anderen«. Rasterfahndung, Racial Profiling und verschärfte Asylgesetze hinterlassen ihre Spuren auch im täglichen Umgang miteinander. Eine Mischung aus Orientalismen, kulturellem Rassismus und Xenophobie traf viele von uns mit voller Härte.
Kriminalisierung und Generalverdacht waren plötzlich unser täglicher Begleiter, »Terrorist*in« eine gängige Bezeichnung auf der Arbeit oder auf Schulhöfen. »Sag mal, ist Bin Laden nicht aus dem gleichen Land wie du?«, »Was hältst du eigentlich von Al-Qaida?« oder »Sie betet mehrmals täglich, sie muss Fundamentalistin sein.« - Sätze, die man regelmäßig hörte. Und Sätze, auf die man auch oft keine Antwort hatte.
Unsere Körper sind neoliberal. DER KHAN-REPORT: Früher war Urlaub das freudige Wiedersehen der Familie, heute knackt der Kiefer
Ja, der 11. September 2001 stellt eine Zäsur da. Er machte deutlich, wie unbedeutend, unwichtig und irrelevant unsere Leben und Körper sind. Ob als »Kollateralschaden« in Afghanistan oder als »Terrorist*in« inhaftierte Person in Guantánamo. 20 Jahre später bedeutet das, dass ein Land wie Afghanistan, das so viel Leid und Krieg erlebt hat, noch immer mit den Konsequenzen zu kämpfen hat. Und 20 Jahre später bedeutet das auch, dass es für die deutsche Gesellschaft keine Zäsur darstellt, wenn in Hanau ein Rechtsterrorist neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet. Diese Ereignisse und deren Deutungen sind miteinander verbunden - ob in Christchurch, Halle oder Utøya. Ob wir wollen oder nicht - sie haben alle auch immer etwas mit dem 11. September zu tun. Und wie es scheint, ist kein Ende in Sicht. Die Geschichte wiederholt sich.
Wir haben beschlossen, die Menschen in Afghanistan im Stich zu lassen.
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