Wie Bilder instrumentalisieren

Die Ausstellung »Mindbombs« in Mannheim zeigt eine künstlerische Perspektive auf die Geschichte des modernen Terrorismus

  • Ralf Schick
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Bilder vom 11. September 2001 in New York sind noch allgegenwärtig: Zwei Flugzeuge steuern in die Türme des World Trade Centers und bringen sie zum Einsturz - Tausende Tote sind das Ergebnis dieses Terroranschlags. Doch was haben diese Bilder mit dem einstigen Terror der Rote Armee Fraktion (RAF) in Deutschland, den Morden des NSU (Nationalsozialistischer Untergrund), der französischen Revolution oder den Kämpfern des Islamischen Staats (IS) gemein? Dieser Frage geht eine Sonderausstellung in der Mannheimer Kunsthalle nach; unter dem Titel »Mindbombs« (Gedankenbomben) ist sie momentan - bis zum 24. April nächsten Jahres - zu sehen.

Gerhard Richters brennender Turm des World Trade Centers (»September«, 2009) spiegelt sich im Wasser. Auf einem Bild des Künstlers Khalid Albaih (»Not in my Name«, 2014) drückt Gott den Abzug der Pistole eines in Schwarz gekleideten Terroristen. Und auf zwei Stelzen in Schuhen steht, von Christoph Draeger entworfen in Anlehnung an den Künstler Joseph Beuys, in schwarzen Buchstaben auf gelbem Grund: Beuys, ich führe persönlich Osama Bin Laden durch die Documenta XII (»Das Versprechen«, 2003- 2021).

Die Gegenüberstellung von Macht und Terror aus verschiedenen Epochen und Zusammenhängen ist ein waghalsiges Unterfangen. Aber es lohnt sich, die Gemeinsamkeiten, Parallelen und Unterschiede politischer Gewaltexzesse aus künstlerischer Sicht zu analysieren, wie es nun in Mannheim passiert. Der englische Begriff und Ausstellungstitel »Mindbombs« stammt aus dem Guerillamarketing und soll zeigen, dass sich Gewalttaten wie »Gedankenbomben« in das Gedächtnis einprägen und Menschen emotional beeinflussen.

Die künstlerische Perspektive auf dieses Sujet thematisiert in drei Sektionen Kolonialismus und Terror. Die Sonderschau beginnt mit dem bekannten Gemälde »Die Erschießung Kaiser Maximilians« des Franzosen Édouard Manet aus dem Jahr 1869. Manet kommentiert das Ende der kolonialen Expansion Frankreichs in Lateinamerika. Nicht weit entfernt davon unter anderem Dokumentarfotografien aus dem Münchner Gerichtssaal, in dem die NSU-Morde verhandelt wurden - den brennenden Türmen des World Trade Centers gegenüber. Es folgen Propagandadarstellungen und Werke, die mahnend daran erinnern, dass auch Fotografien »geschossen« und für propagandistische Zwecke missbraucht werden.

»Vor dem Hintergrund der Verbrechen des Nationalsozialismus wird angesichts rechtsextremer Terrorakte in Deutschland, den USA, Norwegen oder Neuseeland besonders deutlich, wie aktuell und relevant die Kritik an politischer Gewalt ist«, sagt Kurator Sebastian Baden. Die ausgestellten Bilder in Mannheim beschäftigen sich deshalb allesamt mit den Symbolen von Angst und Schrecken des Terrorismus, beginnend mit der Französischen Revolution bis zum modernen IS.

Es sind verschiedene Perspektiven und Blickwinkel, mit der die Ausstellung das Thema beziehungsweise das Phänomen Terrorismus in all seinen Facetten dokumentiert. »Wir können als Museum hier einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung über politische Gewalt leisten und dabei hochkarätige, aufregende und erstmals gezeigte Kunstwerke vorstellen«, so Baden. Erstmals überhaupt präsentiert eine Sonderausstellung eine Art von Gegenüberstellung des frühen sozialrevolutionären, des rechtsextremen und des dschihadistischen Terrorismus», fügt Baden hinzu. Zu sehen sind Arbeiten von knapp 40 namhaften, aber auch weniger bekannten Künstlerinnen und Künstlern - von Édouard Manet und Gerhard Richter bis hin zu Henrike Naumann, Klaus Staeck und Ivana Spinelli.

Es sind mediale Stereotype, die von verschiedenen Kriegen oder Anschlägen gezeigt werden. Ihnen allen gemein sind die extremen Rollenbilder, die die Terrorprotagonisten einnehmen und die in der Ausstellung präsentiert werden. Die Sonderschau mit dem Untertitel «Visuelle Kulturen politischer Gewalt» fordert den Besucher heraus, sich mit den Hintergründen und der jeweiligen Entstehungsgeschichte von Fanatismus zu beschäftigen. Und man könne damit auch zeigen, «dass Terrorismus ein Kampfbegriff ist, den es schon länger gibt, der instrumentalisiert wird und nicht erst jetzt in der Gegenwart Aktualität hat», betont der Kurator.

Eines aber dokumentiert die Ausstellung ebenso: Vieles von dem, was gezeigt wird, ist längst Geschichte. Und liegt weit in der Vergangenheit zurück, auch wenn Bilder dieser Ereignisse noch im eigenen Kopf gespeichert sind. Vieles jedoch bleibt auch allgegenwärtig, etwa durch den Syrien-Krieg oder die jüngst am Kabuler Flughafen geschehenen Selbstmordattentate. Oder mit dem in Paris begonnenen Prozess um den Anschlag auf die Konzerthalle Bataclan im Jahr 2015. Dazu werden in der Mannheimer Kunsthalle unter anderem Fotografien des Künstlers Georg Lutz gezeigt wie etwa ein zerschossener Tisch aus einem Restaurant, das von der damaligen Anschlagserie betroffen war.

«Mindbombs - Visuelle Kulturen politischer Gewalt», bis 24. April 2022 in der Kunsthalle Mannheim, Friedrichsplatz 4, Mannheim.

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